Die Wehwehchen der Ticos

Auch Costa Rica sorgt sich um eine „Wade der Nation“ – Torhüter Alvaro Mesen kann aber vermutlich auflaufen. Heute gegen Deutschland wollen die Südamerikaner ihre defensivste Seite zeigen

AUS MÜNCHEN ANDREAS RÜTTENAUER

Es war nicht gerade viel Gutes zu hören über die Mannschaft Costa Ricas in den letzten zwei Wochen. Nach miserablen Testspielen in der Vorbereitung – den grausamsten Auftritt legten die Mittelamerikaner bei der 2:3-Niederlage gegen eine Walldorfer Regionalauswahl hin – wurde in deutschen Zeitungen viel Hohn und Spott über die „Ticos“ ausgegossen.

Das ist auch Alexandre Guimaraes nicht verborgen geblieben. Der Trainer der Costa-Ricaner ist dennoch nicht sauer auf die Deutschen und ihre herablassenden Äußerungen zu seinem Team, auch wenn er sich ein bisschen mehr Respekt gewünscht hätte. „Wir haben uns zum zweiten Mal in Folge für eine Weltmeisterschaft qualifiziert“, betonte er vor der Abreise nach München. Das solle man doch bitte nicht vergessen. „Wir werden nicht die Prügelknaben des Turniers sein“, fügte er an. Er scheint sich sicher zu sein, dass die Deutschen seine Mannschaft unterschätzen.

Gestern um 10 Uhr morgens traf sich die Mannschaft noch einmal zu einem letzten Training. Nach den Übungseinheiten im Stadion am See zu Garching bei München herrschte Interviewverbot. Später im Teamhotel trat dann doch noch jemand vor die Presse, der Mannschaftsarzt Gerardo Atravia. Er war am Tag vor dem Eröffnungsspiel so etwas wie der Pressesprecher der Mittelamerikaner. Und er hatte seinen Landsleuten unter den Journalisten wenig Gutes zu berichten.

Torhüter José Porras und Mittelfeldspieler Mauricio Solís seien so schwer verletzt, dass ihr Einsatz im Eröffnungsspiel fraglich sei. Beide Spieler hatte Trainer Guimaraes eigentlich fest eingeplant. Dass er auf Gilberto Martinez, den WM-erfahrenen Verteidiger vom italienischen Zweitligaclub Brescia Calcio, verzichten muss, stand schon länger fest. Guimaraes, der gebürtige Brasilianer, der bei der Weltmeisterschaft 1990 für Costa Rica als Spieler aufgelaufen ist, hat es wahrlich nicht leicht in diesen Tagen. Beinahe täglich bringt ihm der Teamarzt neue Hiobsbotschaften. Am Dienstag ließ er mitteilen, dass Paulo Wanchope, Alvaro Mesen and Michael Umana angeschlagen seien. Vor allem die Muskelzerrung in der Wade Mesens machte den Trainer nervös. Er hat in den Vorbereitungsspielen den schon angeschlagen zum Team angereisten Parras ordentlich, aber nicht immer souverän zwischen den Pfosten vertreten. Nun scheint Mesens Wade aber wieder so weit in Ordnung zu sein, dass er spielen kann.

Fit gemeldet hat sich auch wieder Paolo Wanchope, einer der wenigen echten Stars im costa-ricanischen Fußball, der in der englischen Premier League und der spanischen Primera Division Europaerfahrung gesammelt hat. Der Stürmer, der in 69 Spielen für seine Nationalmannschaft respektable 43 Tore erzielt hat, wird allerdings nicht allzu oft in Ballbesitz kommen. Denn Trainer Guimaraes hat seine Mannschaft extrem defensiv eingestellt – ganz anders also als in den meisten Vorbereitungsspielen. Dort haben die Mittelamerikaner vor allem in der Offensive experimentiert. Im Testspiel der Costa-Ricaner gegen Tschechien in der vergangenen Woche präsentierte sich das Team von Guimaraes dagegen extrem zurückhaltend. Beim 0:1 gegen die zweite Garnitur der Tschechen trat Costa Rica mit drei Verteidigern an, davor spielte ein Sechs-Mann-Mittelfeld. Vorne wartete Wanchope, der einzige Stürmer, meist vergeblich auf ein verwertbares Anspiel. Mit einer derart kompakten Aufstellung muss wohl auch für das Spiel gegen Deutschland gerechnet werden. Mindestens sechs reine Defensivspieler werden versuchen, die Deutschen am Spielaufbau zu hindern.

Um Michael Ballack muss sich die Abwehr dabei voraussichtlich nicht kümmern. Alexandre Guimaraes vermied es, zu frohlocken: „Es ist egal, ob er spielt oder nicht, wir beschäftigen uns nur mit uns.“ Das heißt, in den letzten Stunden vor dem Auftaktspiel vor allem mit den zahlreichen Wehwehchen der Spieler. Dafür ist Doktor Atravio zuständig. Der macht sich vor allem Sorgen um das psychische Wohl der Spieler nach dem Auftaktmatch gegen Deutschland: „Wenn wir uns überraschen lassen und hoch verlieren, das wäre ein viel größeres Problem als eine Hand voll Verletzte.“