Kein himmlischer Frieden im Rathaus

Für Chinas Ministerpräsidenten soll die Bürgerschaft ihre Sitzung verschieben, fordern Handelskammer und Senat

Die Bürgerschaft könne nicht „für ein Abendessen ihre Sitzung ausfallen lassen“, befindet Michael Neumann. Und schon gar nicht für einen Gast, poltert der SPD-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft, „in dessen Land Parlamente in unserem Sinn nicht existieren“. Gemeint ist China. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sieht das anders. Wegen eines Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten in Hamburg am 13. September hat er die Bürgerschaft gebeten, ihre für denselben Tag festgelegte Plenarsitzung zu verlegen.

Es gebe „Unwägbarkeiten eventuell notwendiger, zusätzlicher Sicherheitsanforderungen im Rathaus“, heißt es in einem Schreiben von Beusts Staatsrat Volkmar Schön (CDU) an das Bürgerschaftspräsidium, das der taz vorliegt. Ministerpräsident Wen Jiabao, der auf Einladung der Hamburger Handelskammer in die Hansestadt kommt, soll sich am Abend zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an einem Galaessen im Großen Festsaal erfreuen dürfen, und der liegt genau gegenüber vom Plenarsaal.

„Eine Parallelität beider Veranstaltungen“ könnte allerdings „unmöglich“ sein, schreibt Schön, das hätten Gespräche mit dem Landeskriminalamt ergeben. Insbesondere könnte es zu „erheblichen Einschränkungen der Raumnutzung auf Seiten der Bürgerschaft führen“, dies schließe auch „zeitweilig notwendige Sperrungen des Fraktionstreppenhauses ein“.

Neumann ist empört. „Dieses Ansinnen des Senats, eine Bürgerschaftssitzung ausfallen zu lassen, überschreitet die Grenze zur Unterwürfigkeit“, findet er. Ein Parlament, „das sich selbst ernst nimmt“ könne das nicht mit sich machen lassen – vor allem deshalb, weil China „bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten noch einen weiten Weg vor sich hat“.

Handelskammer und CDU-Senat setzen da einen anderen Schwerpunkt. Hamburg sei bekanntlich „das Chinazentrum in Europa“, ruft Staatsrat Schön in Erinnerung. Der Handel mit dem Reich der Mitte hat in jüngster Zeit kontinuierlich zugenommen, in der Wirtschaftspolitik des Senats hat der Hamburger Hafen als Chinas Tor zu Europa höchste Priorität.

Die Stadt dürfe keineswegs Gefahr laufen, Wen Jiabao „nicht angemessen empfangen zu können“, mahnt deshalb Schön. Senat und Bürgerschaft sollten „sich nicht öffentlich dafür rechtfertigen müssen, warum es nicht gelungen ist, alle Maßnahmen für eine angemessene Wahrnehmung eines hochrangigen und bedeutenden Staatsgastes getroffen zu haben“.

Nächste Woche soll auf einer Sitzung von Bürgerschaftspräsidium und Fraktionsspitzen der Versuch gemacht werden, den Frieden im Rathaus wieder herzustellen. Sven-Michael Veit