Und alle Fragen offen

Beim mühevollen 4:2 im Eröffnungsspiel gegen Costa Rica hat Deutschland die entscheidenden Antworten nicht gegeben

aus MÜNCHEN MARKUS VÖLKER

Es war ein Sieg mit großer Mühe und großem Zittern: Die deutsche Nationalmannschaft gewann 4:2 (2:1) im Eröffnungsspiel in München gegen Costa Rica vor 59.416 Zuschauern. Durch Tore von Philipp Lahm (6.), zweimal Miroslav Klose (17. und 61.) und Torsten Frings (87.), bei Gegentoren von Paulo Wanchope (12. und 73.). Das deutsche Nationalteam hat dabei die entscheidenden Fragen für das Abschneiden bei dieser WM nicht beantwortet: Wo steht das Team wirklich? Wer stabilisiert die Defensivarbeit? Und gibt es wirklich keinen Ersatz für Kapitän Michael Ballack?

Das frühe 1:0 durch Philipp Lahm (6. Minute) – er zog von der linken Außenbahn nach innen und schlenzte den Ball unhaltbar für Costa Ricas Torhüter José Francisco Porras in den Torwinkel – hätte den Deutschen eigentlich die Nervosität nehmen müssen. Chancen hatten zudem Frings (3.) und Bernd Schneider (9.). Doch die Ernüchterung kam prompt: Eine sehenswerte Kombination der Costa-Ricaner nutzte Mittelstürmer Wanchope, der auch im weiteren Verlauf schwache Arne Friedrich hatte das Abseits aufgehoben, zum 1:1 (12.).

Es war Sebastian Schweinsteiger, der das deutsche Team wieder in Führung brachte. Mal wieder. Schon in den letzten drei Vorbereitungsspielen (Luxemburg, Japan, Kolumbien) war er an der Hälfte der 12 deutschen Tore beteiligt. Gegen Costa Rica bediente er mit einem Querpass Klose, der aus fünf Metern nur noch den Fuß hinhalten musste (17.). In die Turbulenzen der Anfangsphase reihte sich auch Torhüter Jens Lehmann ein. Schon nach wenigen Minuten musste er am Sprunggelenk behandelt werden – er war ohne Einwirkung eines Gegenspielers umgeknickt.

Costa Rica spielte nicht, wie erwartet, äußerst defensiv. Vor allem Zweifach-Torschütze Wanchope stellte die junge deutsche Abwehrkette vor Probleme. Und nichts erinnerte an ihre desaströse Vorbereitung, als die Mittelamerikaner sogar gegen eine Rhein-Neckar-Auswahl mit 2:3 verloren. Haben sie nur geblufft? Nach 20 Minuten fand das deutsche Team zumindest kein Mittel mehr, um die Führung auszubauen – bis auf einen Freistoß von Lukas Podolski, der knapp übers Tor ging (40.), und Metzelder, der aus kurzer Distanz den Ball nicht richtig traf (42.).

Vor allem das deutsche Defensivverhalten war bedenklich. Klar, mit Frings hatte Klinsmann nur eine Defensivkraft im Mittelfeld aufgeboten. Und doch: Die Costa-Ricaner hatten viel Raum, um gefährlich zu werden. Etwa in der 48. Minute, als Abwehrspieler Carlos Hernández frei zum Kopfball kam. Gleichzeitig verstand es Michael-Ballack-Ersatz Tim Borowski in der Offensive nicht, sich in das Spiel Gewinn bringend einzuarbeiten.

Bundestrainer Jürgen Klinsmann verzichtete auf Michael Ballack, der an einer Wadenverletzung laboriert. „Die Gefahr einer Verletzung ist sehr stark erhöht. Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen“, begründete Klinsmanns Assistent Joachim Löw die Entscheidung. Zuvor gab es reichlich Verwirrung um Ballacks Einsatz: Klinsmann hatte früh zu verstehen gegeben, Ballack schonen zu wollen. Doch am späten Donnerstagabend meldete sich Ballack überraschend wieder beschwerdefrei und einsatzbereit. „Ich will spielen!“, forderte Ballack auch gestern. Er war dann nicht mal im Kader.

Die Hereinnahme Borowskis war die einzige Veränderung im Vergleich zum letzten Vorbereitungsspiel gegen Kolumbien (3:0). Mit Lehmann im Tor; Friedrich, Mertesacker, Metzelder und Lahm in der Viererkette; im Mittelfeld mit Schneider (rechts), Schweinsteiger (rechts) sowie Borowski (offensiv) und Frings (defensiv) in der Zentrale; mit Podolski und Klose im Sturm.

Die Offensivarbeit übernahm dann der überzeugende Lahm – der beste Mann auf dem Platz. Seine Flanke verwertete erneut Klose zum 3:1 (61.). Zu einem Zeitpunkt, als das deutsche Spiel zu stagnieren drohte. Brachte das wenigstens Ruhe? Nein. Es war wieder Wanchope, der Costa Rica aus abseitsverdächtiger Position auf 3:2 heranbrachte – als erneut Friedrich das Abseits eliminierte (73.). Frings machte drei Minuten vor Spielende dann doch alles klar – mit einem präzisen Weitschuss (87.).

Mit Polen wartet nun am Mittwoch (21 Uhr) ein Gegner, der ursprünglich sogar stärker eingeschätzt wurde als das Team von Costa Rica. Da können die Deutschen dann das nächste Mal nach Antworten suchen.