ORF: „Kulturzeit“ kuscht

3sat-Kulturmagazin verschiebt kritischen Beitrag über den Sender – weil dessen Intendantin freundlich „bittet“

Die Donnerstagsausgabe der preisgekrönten „Kulturzeit“ auf 3sat ließ auf den ersten Blick nichts vom Streit hinter den Kulissen erahnen: Handke-Verzicht und Heine-Preis, der tote Terrorist Sarkawi, und weil nun mal die WM beginnt, ein Stück zu Panini-Fußballer-Sammelbildchen. Davon, dass in der Sendung auch ein Beitrag über die Auseinandersetzungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Österreichs (ORF) geplant war, erfuhren die ZuschauerInnen nichts.

Denn beim ORF gibt es Stunk: Verflachung, Entpolitisierung des Programms sowie immer stärkere Einflussnahme seitens der regierenden konservativen ÖVP lautet der Vorwurf (taz vom 29. 5.). Die Initiave „SOS ORF“ meldete soeben den 50.000sten Unterzeichner ihrer Erklärung, die unter anderem einen „unabhängigen und kompetenten Aufsichtsrat, der keine Parteiaufträge entgegennimmt“, für den beherrschenden Sender Österreichs fordert.

Doch der „Kulturzeit“-Beitrag zum Thema „SOS ORF“, verfasst von dem TV-Journalisten Tilman Jens, wurde kurzfristig abgesetzt. Natürlich nicht durch eine Intervention des ORF bei der Flaggschiffsendung des Dreiländerprogramms, wie Redaktionsleiter Armin Conrad offiziell erklärte. Nein, schließlich ist neben ARD, ZDF und dem Fernsehen der Deutschschweiz auch der ORF an 3sat beteiligt. Und da man in der Alpenrepublik stets von ausgesucht-altmodischer Höflichkeit ist, braucht’s keine barsche Intervention. Es reicht – eine Bitte: „Tatsächlich hat die Generaldirektorin gegenüber 3sat lediglich die Bitte geäußert, den entsprechenden Bericht erst auszustrahlen, nachdem sie Gelegenheit hatte, die Aufsichtsgremien des ORF persönlich über die Diskussion zum Unternehmen zu informieren“, heißt es in der offiziellen Erklärung von ORF-Chefin Dr. Monika Lindner.

Und für diese Unterrichtung ist praktischerweise erst nächste Woche Zeit. „Kulturzeit“ bzw. 3sat spielten brav mit, dafür gibt es auch ein „Salzstangerl“ zur Belohnung: Lindner, die am 17. August als Generalintendantin wiedergewählt werden soll, hatte sich bislang nicht vor der „Kulturzeit“-Kamera äußern wollen. Jetzt heißt es, mit der Bitte „verbunden war das Angebot von Dr. Lindner, für eine Stellungnahme gegenüber 3sat zur Verfügung zu stehen“. Wie nett! STG

Info: www.sos-orf.at