Berlin ist rund

FUSSBALL-WM Heute beginnen die Spiele. Das heißt auch: Überall gibt es schwarz-rot-goldenen Nippes, Liveübertragungen und Hupkonzerte nach dem Sieg. Noch Fragen? Ja!

■  Lust auf Public Viewing, aber keine Lust auf Menschenmassen und Fanmeile? Hier einige Alternativvorschläge, wo der WM-Sommer auch genossen werden kann.

■  Der Klassiker ist der WM-Klub Tante Käthe. In dem nach dem Spitznamen Rudi Völlers benannten Klub wurde schon 2006 die WM zelebriert. Auf drei Leinwänden können die Spiele verfolgt und dazu Bier verschiedener Nationen genossen werden. Adresse: Bernauer Straße 63/64 (Wedding/Prenzlauer Berg).

■  Entspannt Fußball schauen und dabei die Großstadt hinter sich lassen kann man im Loretta am Wannsee. Bei gutem Wetter gibt es Cocktailbar und Großbildfernseher draußen, bei schlechtem können die Spiele drinnen auf einer Leinwand verfolgt werden. Adresse: Kronprinzessinnenweg 260.

■  Auch nah am Wasser und dazu ein Geheimtipp ist der Freiluftbiergarten „Burg am See“ in Kreuzberg. Neben Fußball gibt es hier einen Grill, einen Tea-Garden und gleich nebenan einen Spielplatz für die Kleinen. Falls es regnet, kann die WM-Partie in einem Zelt geschaut werden. Adresse: Ratiborstraße 14c.

■  Oder doch lieber gleich drinnen Fußball schauen? Im Admiralspalast können Fußballbegeisterte in Theateratmosphäre ihre Lieblingsmannschaft anfeuern. Adresse: Friedrichstraße 101 (Mitte).

■  Auch im Pfefferberg werden die Spiele gezeigt. Hier kann man dazu selbst aktiv werden: Nebenher gibt es ein Kickerturnier. Adresse: Schönhauser Allee 176 (Prenzlauer Berg).

■  Wie im Pfefferberg kann man auch im Heimathafen Neukölln „kieken und kickern“. Während im Ballsaal die WM-Spiele laufen, wird im Hof gekickert, im Garten gibt’s Grill und Sommerbar. In der Karl-Marx-Straße 141. (taz)

Warum gibt es keine Fahnen afrikanischer Länder?

Azan Caglar hat seinen Sonnenbrillenstand vor der Gedächtniskirche am Ku’damm geräumt. Der türkischstämmige Mann mit gemütlichem Bauch und halb aufgeknöpftem Hemd verkauft die nächsten Wochen nur noch Fahnen und Fähnchen, Hüte und Perücken, Megafone und Trillerpfeifen. Und das in vielen Nationalfarben. Er ist nicht der Einzige, der in dieser Ecke der City-West für die WM-Zeit auf Fanartikel umgesattelt hat.

Alle Fanartikelstände hier geben sich international. Zumindest nach außen. Am Banner des „WM Shops“, dem größten Anbieter, sind alle Flaggen der WM-Teilnehmer abgebildet. Doch Trikots und Fahnen gibt es fast nur von europäischen Ländern und großen Favoriten wie Brasilien und Argentinien. Max und sein Kumpel Kiki stammen aus Ghana. Sie leben und arbeiten seit Jahren in Berlin und wollen sich Trikots aus ihrem Heimatland kaufen – vergeblich. Es gibt lediglich ein gelbes T-Shirt mit der Rückenaufschrift „Afrika“. Die Ländersymbole der einzelnen WM-Teilnehmer sind beigelegt, man kann sie sich je nach Vorliebe aufbügeln.

Kiki regt das auf. „Immer wird Afrika als einheitliches Land dargestellt“, beschwert er sich. Das habe Marketinggründe, erläutert Nestones Nicolau, Chef des „WM-Shops“. Europa-Artikel und vor allem deutsche würden sich natürlich am besten verkaufen. Und es hänge davon ab, wer am Ende weiterkommt. Er als Geschäftsmann hoffe auf Deutschland.

Wie wäre es, wenn man, um das wirtschaftliche Risiko noch weiter zu minimieren, künftig einheitliche Europatrikots entwerfen würde? Rückenaufschrift „Europa“, mit Ländersymbolen zum Aufbügeln? 2012 wäre das unschlagbar. JOG

Wo darf die schwarz-rot-goldene Fahne flattern?

Juhuuu! Das Spiel ist gewonnen! Nichts wie raus, das Auto anschmeißen und mit den rund 3.000 Freunden hupend durch Berlin fahren. Aber Moment: Die Polizei findet Autokorsos ja nicht so lustig. Muss man Strafe fürchten, wenn man sich für sein Land freuen will?

Im Grunde nicht. Der Autokorso sei zwar eine Ordnungswidrigkeit, erklärt Polizeisprecherin Andrea Meier. Aber die Polizei versuche, die spontanen Jubelfeiern im geordneten Rahmen ablaufen zu lassen. Auch die Fähnchen am Autofenster seien erlaubt, wenn sie die Verkehrssicherheit nicht einschränken. Genauso sähe es mit Perücken, Sonnenbrillen und anderen Accessoires aus.

Die Polizei selbst darf sich der Feier allerdings nicht anschließen. So seien Fahnen an Polizeiwagen nicht zulässig, betont Meier – wegen der Neutralität gegenüber allen Ländern. Und um den gelungenen Abschluss des Fußballtages nicht zu vermasseln, sollte man vor dem Korso auch auf das obligatorische Fußballbier verzichten. Oder sich einfach fahren lassen. Dabei kann man sowieso viel besser feiern. KRU

Was tun, wenn die Glotze streikt?

Schlimmer kann es kaum kommen: Das WM-Auftaktspiel der Deutschen gegen Australien steht an, doch auf einmal ist der Fernseher schwarz. Aus. Nichts geht mehr. Was nun?

Möglichst schnell muss der Fernsehreparaturdienst angerufen werden. Doch allzu viel Hoffnung auf rasche Rettung sollte man sich nicht machen, sagt James Buße, Fernsehtechniker beim „TV-Service Dietrichsen“ in Kreuzberg. Nur etwa 5 Prozent der Fernseher könnten vor Ort repariert werden. Für den Rest ist die Zeit vor dem Anpfiff mit ganz großer Sicherheit zu knapp. „Aber viele haben heute sowieso ein Zweitgerät“, sagt Buße. „Oder sie gehen eben zum Public Viewing.“ KRU

Welche Mannschaft unterstützen Berlins Türken?

Das türkische Team ist bei dieser WM nicht dabei, das betrübt den Geschaftsführer des größten Migranten-Fußballclubs Turkiyemspor, Ali Eltan. Sein Herz schlage in diesem speziellen Fall für Deutschland, sagt er und spricht damit für viele Clubmitglieder. „Wenn das Mutterland schon nicht mitspielt, dann unterstützen wir eben das Vaterland!“ Angesichts der multikulturellen Ausrichtung des Vereins mit seinen 25 Nationalitäten sei dies ein klarer „gemeinsamer Nenner“.

Und sollte die deutsche Mannschaft gewinnen, gäbe es – „natürlich“ – wieder lärmende Autokorsos auf der Oranienstraße und dem Ku’damm, genau wie bei der letzten WM. Da sind sich die zehn jungen Männer vor dem Vereinslokal in der Admiralstraße sicher.

Dort werden auch die meisten Spiele gezeigt, unter Neonlicht und an Holztischen, auf einem großen Bildschirm. In lockerer Atmosphäre, berichtet Ali Eltan. Viele der rund 500 Vereinsmitglieder würden auf mehrere Gläser Tee vorbeikommen und die Spiele auch schon mal mitkommentieren. Angesichts der chaotischen Zustände im Club – vor kurzem trat ein Teil des Vorstands zurück, der angepeilte Aufstieg des Spitzenteams wurde verpasst – sei die WM eine willkommene Ablenkung für die Fans des Regionalligisten. TAS

Wie schmeckt der Deutschland-Kuchen?

Ob Klebeschnauzbärte oder Deutschland-Nudeln – derzeit gibt es fast alles in Schwarz-Rot-Gold. Die Bäckereikette Kamps will da nicht zurückstecken und bietet einen WM-Rührkuchen an – in den deutschen Nationalfarben.

Mit dem bunten, 3,49 Euro teuren Teigling will das Unternehmen für die deutsche Kundschaft „Flagge zeigen“ und „Appetit auf die WM“ machen, sagt Daniela Lützeler, die Sprecherin des Unternehmens. Doch wird der Kuchen diesen Ansprüchen gerecht?

„Wenn das Mutterland nicht mitspielt, unterstützen wir das Vaterland!“

ALI ELTAN, TURKIYEMSPOR

Erstens: Flagge zeigen. Die Farbe stimmt. Durch Pflanzenkohle, Rote Beete-Saft und Gelbstoffe wie Chinolingelb und Gelborange-S erhält der Kuchen die nationale Einfärbung. Die rechteckige Form gleicht der einer Flagge. Doch mit seinen gerade 16 mal 12 Zentimetern wird er es im Fahnenmeer jeder Fanmeile schwer haben. Und beim Schwenken zerbröselt der Kuchen wegen des lockeren Teigs viel zu schnell.

Zweitens: Appetit machen. Die Farbstoffe sind geschmacksneutral. Das Backwerk schmeckt dafür nach Zitrone und Schokolade. Lützeler erklärt: „Wir wollten nicht zu viele Geschmacksrichtungen auf einmal.“ Das ist gelungen – bei anderen Rührkuchen wie Muffins stören Blaubeere- oder Haselnussgeschmack.

Ob der Kuchen dem DFB-Team letztlich helfe, vermag Lützeler nicht zu sagen. „Da spielen sicherlich noch andere Faktoren mit.“ HUB

Kann man die nächsten vier Wochen auch ohne Fußball überstehen?

Menschen, die kein Interesse daran haben, Männern beim Hin und Herbewegen eines Balls zuzusehen, sind in den nächsten Wochen klar in der Minderheit. Trotzdem gibt es genug Orte in der Stadt, an denen sich die WM ganz gut ignorieren lässt. Zum Beispiel Spielplätze und Parks, die nicht nur während der Spielzeiten, sondern auch schon vorher leer sind. Schließlich müssen die Kleinen abgefüttert und schlafbereit sein, damit die Eltern in Ruhe gucken können.

Fahnenschwenkfreie Zonen sind auch die Seen im Umland – kein Mensch ist mehr im Wasser, alles sitzt im Biergarten. Und ab Halbfinale steigen die Chancen, einmal ganz allein der Nofretete gegenüberzusitzen oder ohne Anstehen auf die Reichstagskuppel zu kommen. Hart ist nur der vierwöchige Biergartenverzicht. API