Streit um Kohle für die Kohle

Das Rheinisch-Westfälische Institut fordert das Ende der Steinkohlesubventionen – und provoziert nicht nur den DGB. Der fordert im Gegenzug das Ende der Unterstützung für die Wissenschaftler

VON ANDREAS WYPUTTA

Auf das Rheinische Institut für Wirtschaftsforschung angesprochen, reagiert Nordrhein-Westfalens DGB-Chef Guntram Schneider aggressiv: „Apologeten der neokonservativen Ideologie“ seien die Mitarbeiter des Essener Instituts, unwissenschaftlich deren Arbeit, so der DGB-Landesvorsitzende zur taz. Das Land müsse sich „wirklich fragen, ob es das RWI weiter mit Steuergeldern unterstützen will“, fordert Schneider – und heizt so die Diskussion um einen möglichen Börsengang der RAG als letztem verbliebenen deutschen Steinkohleförderer weiter an.

Der Grund für die Wut des Gewerkschaftschefs: eine jüngst veröffentlichte „Streitschrift“ des RWI, die einer Abrechnung mit dem Steinkohlenbergbau in Deutschland gleicht. Die deutsche Steinkohle habe für den Weltmarkt keinerlei Bedeutung, schreiben die Essener, die selbst von Bund und Land mit 4,2 Millionen Euro alimentiert werden. Die Steinkohlesubventionen von derzeit jährlich rund 2,5 Milliarden Euro versickerten in einer nicht konkurrenzfähigen Branche, schadeten dem Land NRW sogar – schließlich fehle das Geld zur Förderung des überfälligen Strukturwandels im Ruhrgebiet. Die seit 1958 gezahlten Steinkohlebeihilfen von insgesamt 128 Milliarden hätten mit zur immensen Verschuldung der Haushalte von Bund und Land geführt. Dabei sei keineswegs klar, dass alle vom Bergbau abhängig Beschäftigten bei einem Ende der Subventionen arbeitslos würden, arbeitet sich das RWI an den Argumenten des Gesamtverbandes des deutschen Steinkohlebergbaus (GVSt) ab – schließlich erwirtschafteten Bergbauzulieferer wie etwa die Deutsche Bergbau Technik (DBT) aus Lünen nur noch ein Drittel ihres Umsatzes in Europa.

Doch der Gesamtverband schlägt mit Hilfe der Politik zurück. „Unwissenschaftlich“ sei die „Streitschrift“, meint der Verband, der von der Essener RAG gesteuert wird – und vermutet wie Gewerkschaftschef Schneider eine Auftragsarbeit für die kohlekritische NRW-Regierungskoalition aus CDU und FDP. Die Landesregierung aber gibt sich arglos: „Wir akzeptieren Forschungsergebnisse so, wie sie kommen“, sagt Joachim Neuser, Sprecher von CDU-Landeswirtschafts- und Energieministerin Christa Thoben.

Umso heftiger reagiert die einstige Regierungspartei SPD. „Enttäuschend“ findet die „Streitschrift“ Thobens Vorgänger als Energieminister, SPD-Landtagsfraktionsvize Axel Horstmann. Das Essener Institut riskiere, „nicht mehr ernst genommen zu werden“. Natürlich drohe dem Ruhrgebiet bei einem Ende der Subventionen ein weiterer Anstieg der Massenarbeitslosigkeit. Die Wissenschaftler des RWI säßen im akademischen „Elfenbeinturm“, sagt Horstmann – und klingt wie der Gesamtverband: Der kritisiert mit gleichen Worten die argumentative Schwäche der Essener, die Sicherung der Energieversorgung sei in globalisierten, liberalisierten Märkten nicht mehr Aufgabe des Staates.

Unterstützung für das RWI kommt dagegen von den beiden kleinen Fraktionen im Düsseldorfer Landtag. Sowohl FDP-Fraktionschef Gerhard Papke wie der grüne Energieexperte Reiner Priggen wollen der RAG möglichst schnell den Geldhahn abdrehen (siehe Interview unten). Der Landtag müsse über die RWI-Streitschrift debattieren, fordert Papke – und kritisiert seinerseits Gewerkschaftschef Schneider: Der verwechsele „seine Aufgabe als DGB-Landesvorsitzender mit der eines selbst ernannten Zensors der Landespolitik“, so Papke zur taz. „Es wird definitiv auch in Zukunft möglich sein, in NRW Meinungen zu vertreten, die dem DGB nicht passen.“ Schneiders Forderung nach einem Ende der Subventionen für das Essener RWI sei „an Absurdität nicht zu überbieten“.

Energieministerin Thoben gibt sich dagegen bedächtig. „Wir setzen auf weitere Gutachten“, sagt ihr Sprecher Neuser – „und diskutieren im kommenden Jahr“.