SPIELPLÄTZE (1)
: Mehr Würste als Besucher

FUSSBALL GUCKEN Südafrika gegen Mexiko auf der Fanmeile am Olympiastadion

Die spannendste Begegnung spielt sich zwischen der Infosäule und dem Bierstand ab. Wir schreiben die 11. Spielminute. Lasse, Rückennummer Zehn, legt sich den Ball zurecht. Dribbelt, lupft das Leder mit dem Innenfuß, trifft – den Pfosten. Torwart Holger schluckt. „Fast immer ist er besser als ich“, ärgert sich der Papa. „Lasse ist schnell.“ Der Dreijährige strahlt.

Weil den Nachwuchs das Eröffnungsspiel auf der Großbildleinwand wenig interessiert und der Spaßfaktor auf dem steinernen Platz vor dem Olympiastadion begrenzt ist, treten der Weddinger Vater und sein Sohn selbst gegen den Ball. „Kinderbetreuung gibt’s ja nicht“, sagt Holger achselzuckend. Platz zum Spielen haben die beiden genug: 30.000 Fans wurden erwartet. Gekommen sind vielleicht 500. Verloren sehen sie aus vor der 80-Quadratmeter-Leinwand. Sie werden flankiert von Crêpe- und Wurstbuden. Die Verkäuferinnen drehen Würste von einer Seite auf die andere. Es ist heiß, die Würste sind teuer, es gibt viel mehr Würste als Besucher.

„Wundert mich nicht“, sagt Holger. „Das liegt ja hier alles andere als zentral.“ Er hat Sohn Lasse in der Kita abgeholt, auf dem Nachhauseweg kamen sie hier vorbei. „Ich habe sofort einen Parkplatz gefunden, kostenfrei.“ Die meisten sind wohl mit der U-Bahn oder dem Fahrrad gekommen. Jedenfalls liegt der Bierkonsum deutlich über dem Wurstkonsum – und das bei den Preisen: Fast 5 Euro kostet ein Weißbier.

Lasse trinkt aus seiner blauen Kindergartenflasche. Halbzeitpause, auch die Mannschaft am rechten Leinwandrand zieht sich zurück. Die biertrinkenden Grüppchen vor der Tribüne bleiben unentschlossen sitzen, bis Super-RTL-Star Ronja auf die Bühne tritt. Bekannt aus einer Schau des Senders, wie der Moderator behauptet. Leider kennt keiner die Frau. Der Applaus fällt mager aus. Der Moderator droht: Ronja kommt wieder. „Immer wieder gern gesehen auf dem Fanfest“, brüllt er ins Mikro. Günther Netzer analysiert derweil auf einem Nebenbildschirm stumm die erste Halbzeit. Die wenigen Besucher verteilen sich auf die vielen Essstände; die Wurstbraterin freut sich.

Zweite Halbzeit. Ein paar Leute sind dazugekommen, aber es wirkt weiter wie Montag früh auf dem Tempelhofer Feld. Sogar der Dixie-Klowart gähnt, vor sich den Teller mit ein paar Münzen. Lasse spielt „Wirf die Stoffpuppe in die Luft“, sein Vater hat einen roten Kopf von der Sonne. „Noch mal kommen wir nicht her“, sagt er. KRISTINA PEZZEI