Wir sind Afrika! Wir heißen euch willkommen!

WM-ERÖFFNUNG Soweto rockt, Kapstadt tanzt: In einer kalten Winternacht feiert Südafrika den Beginn des größten Fußballfestes der Welt

Kaapse Klopse mit Pink Parade, südafrikanische Politik mit amerikanischem Gangsterrap

VON MARTINA SCHWIKOWSKI
(SOWETO) UND ELENA BEIS (KAPSTADT)

„Afrika ist die Wiege der Menschheit – wir heißen euch willkommen zu Hause, wir sind alle Afrikaner!“ Desmond Tutu steht in gelbem Pullover, mit Schal und gelb-grüner Pudelmütze vor einem riesigen Flaggenmeer begeisterter Fans im Orlando-Stadion in Soweto. „Feel it, it is here!“, erklingt das Echo von rund 34.000 Zuschauern, die den Slogan der WM 2010 in die kalte südafrikanische Winternacht brüllen. Der frühere Erzbischof und Friedensnobelpreisträger grinst, kichert und schaukelt begeistert hin und her wie ein kleiner Junge. „Es ist ein Traum, was für ein Traum.“

Mit einer musikalischen Supershow in Soweto feierte Südafrika in der Nacht zum Freitag den Kick-off der WM. In Flaggen eingewickelt, mit Sombreros, bemalten Gesichtern oder bunten Perücken singen Zuschauer aus aller Welt, aber hauptsächlich aus Soweto und Südafrika, zusammen mit Superstars aus den USA, Lateinamerika und Afrika. Während Tutu daran erinnert, dass Nelson Mandela die WM nach Südafrika holte, flimmern Bilder des ehemaligen Präsidenten über die Großleinwände: seine Befreiung, seine Machtübernahme. Mandela sollte eigentlich gestern Nachmittag zum Eröffnungsspiel persönlich erscheinen, der südafrikanischen Mannschaft für das Spiel gegen Mexiko Glück wünschen. Aber auf dem Rückweg nach dem nächtlichen Konzert kam eine seiner Großenkelinnen, Zenani Mandela, bei einem Autounfall ums Leben. Mandela kommt nicht mehr.

In der Nacht allerdings ist die Feierstimmung noch ungetrübt. Sowetos Soulsängerin Lira eröffnet mit „Pata Pata“, dem berühmtesten Song der berühmtesten südafrikanischen Diva Miriam Makeba. Hugh Masekela, einst mit Mirima Makeba verheiratet, begleitet Lira auf der Trompete. US-HipHop mit „Black Eyed Peas“, Angélique Kidjo aus Benin, der somalische Rapper K’naan: Die Nacht wird kälter, die Stimmung heißer. Als Alicia Keyes „Fallin’“ singt, wiegen sich Tausende im Rhythmus, Lichter blinken an Hüten und Mützen. Dann leitet Shakira den Höhepunkt ein, mit der südafrikanischen Gruppe Freshlyground und ihrem WM-Song „Waka Waka (This Time for Africa)“.

Gegen Mitternacht schießen Feuerwerksraketen in den Himmel, Tausende umarmen sich freudig. „Endlich ist es so weit“, sagte Thato Rajedi, eine junge Zuschauerin aus Soweto. „Wir haben so lange gewartet. Die WM wird uns keinen finanziellen Profit bringen, aber Südafrika wird die Welt überzeugen: Wir können etwas.“ Südafrikas Präsident Jacob Zuma hatte die Show gemeinsam mit Fifa-Präsident Sepp Blatter eröffnet: „Südafrika ist dazu fähig, jede Angelegenheit der Welt zu regeln.“

Wir sind bunt, wir feiern vereint und wir sind kompetent: Das ist auch die Botschaft des anderen großen WM-Eröffnungsfestes dieser Nacht, in Kapstadt. Von dem Rathausbalkon aus, auf dem Nelson Mandela nach seiner Freilassung 1990 seine legendäre erste Rede an die Öffentlichkeit hielt, spricht jetzt Bürgermeister Dan Plato: Südafrika hat es den Skeptikern endlich gezeigt, Südafrika kann auf sich stolz sein, Südafrika wird die Herzen der Welt erobern. „Danke, euch Bürgern von Kapstadt – Arbeiter, Organisatoren, Steuerzahlern, Polizei –, ihr habt das hier möglich gemacht“, ruft er. „Die Welt hat gedacht, Afrika schafft das nicht. Aber die Zeit ist gekommen, der Welt zu zeigen, dass Afrika das kann.“ Während seiner Rede steht zu seiner Rechten Helen Zille, die deutschstämmige Premierministerin der Westkap-Provinz, zu seiner Linken R. Kelly, in Sonnenbrille und cooler Rapper-Pose.

Zur WM hat man jetzt auch Kapstadts knallbunte Karnevalsparade „Kaapse Kloopse“ vorverlegt, die traditionell am 2. Januar stattfindet, jetzt aufgepeppt mit Länderflaggen und Gay-Pride-Elementen, schließlich gilt Kapstadt als eine der schwulenfreundlichsten Städte der Welt. Kaapse Klopse, gemischt mit Pink Parade, südafrikanische Politik mit amerikanischem Gangsterrap, und das alles genau dort, wo 1990 Nelson Mandela das „neue Südafrika“ ausrief: So setzt Kapstadt einen eigenen Ton. Und in der Nähe des Fanparks stehen nicht nur nigelnagelneue Fußgängerbrücken, Busse und Parkbänke, sondern auch zwei Fahrradampeln – ein interessantes Novum in Kapstadt, zumal hier kaum jemand in der Innenstadt Fahrrad fährt.

„Ich kann es nicht glauben. Ich kann es nicht fassen! Die Party ist hier!“, schreit begeistert Chris Motemwe, Einwanderer aus Nigeria, und knipst ständig Fotos mit seinem Handy. Eine Mutter, von Kopf bis Fuß in Gelb gekleidet und mit einem kleinen Mädchen im Südafrika-Hemdchen im Arm, schaut versonnen auf die Leinwand des Fanparks, wo Nelson Mandelas Rede von 1990 läuft, und murmelt hörbar vor sich hin: „Heute bin ich stolz, Südafrikanerin zu sein.“