Erst vergurkt, dann vergeigt

CHANCEN Borussia Dortmund vergibt wieder mal Chancen sonder Zahl, gewinnt aber dennoch einen Punkt in Hoffenheim

AUS HOFFENHEIM CHRISTOPH RUF

Hoffenheims Keeper Jens Grahl wirkte richtig ehrfürchtig, als er über das Dortmunder Offensivspiel sprach: „Da denkst du, es kommt eine Sturmflut auf dich zu.“ Auch für Sven Schipplock war das Ergebnis, ein unterhaltsames 2:2, nah am Wunschresultat. Und das, obwohl seine Hoffenheimer nach einem aus Dortmunder Sicht ziemlich vergurkten ersten Durchgang nach Toren von Schipplock in der 17. Minute und Kevin Volland (37.) selbst 2:0 geführt hatten. Doch, so fand der Angreifer der Gastgeber, gegen diesen Gegner sei nun mal selbst bei einer komfortablen Führung nicht mehr drin, als eine Niederlage zu verhindern. „Wenn man sieht, auf welchem Topniveau die Dortmunder vor allem in der Offensive spielen, kann man zufrieden sein“, sagte er – zumindest als Gegner der Borussen, würden sie im Westfälischen ergänzen.

Die unbestrittene Dortmunder Offensivwucht führt zwar regelmäßig zu Verzückungen beim neutralen Teil des Publikums, doch die Punktausbeute ließ zuletzt arg zu wünschen übrig. Die wichtigen Spiele gegen Gladbach und Leverkusen gingen trotz deutlichem Chancenplus verloren, zuletzt holte der BVB nur vier Zähler aus fünf Partien. Und mittlerweile ist der Rückstand auf die Bayern auf satte zwölf Punkte angewachsen. Auf diese Referenzgröße bezieht sich die Öffentlichkeit ja geradezu reflexhaft, wenn das Schicksal der Dortmunder verhandelt wird. Dabei herrschte in deren Lager schon nach den ersten Spieltagen und den ersten Ausfällen weitgehend Klarheit darüber, dass man in dieser Saison den Bayern nicht das Wasser wird reichen können. Und längst ist zu erkennen, dass es in dieser Saison noch ein paar Widrigkeiten mehr zu meistern gibt; vor allem natürlich die Verletztenliste, die sie in Dortmund eher beiläufig erwähnen, wenn wieder einer mit Unschuldsblick fragt, warum es bloß nicht so doll laufe in der Liga: Sven Bender, Neven Subotic, Ilkay Gündogan, Marcel Schmelzer und Mats Hummels heißen die prominentesten Patienten.

Doch da wäre natürlich auch noch dieser rätselhafte Umgang mit Großchancen, den man wohl nur bedingt auf die Dauerbeschäftigung in allen möglichen Wettbewerben schieben kann. In Hoffenheim versiebten Henrikh Mkhitaryan (74.), Robert Lewandowski (76.), Marco Reus (87.) und Julian Schieber (89.) allein in den letzten 20 Minuten mehr Großchancen, als sich den meisten Mannschaften in 90 Minuten Spielzeit bieten – der BVB hatte davon in der ganzen Partie ein knappes Dutzend. Doch die reichten nur zu den Treffern von Pierre-Emerick Aubameyang (45) und Lukasz Piszczek. „7:3“ hätte das Spiel also auch ausgehen können, meinte BVB-Trainer Jürgen Klopp, der die Chancen „in der Entstehung sensationell, in der Verwertung, sagen wir, unterdurchschnittlich“ fand.

„Das ist unangenehm“

Für Demutsbezeugungen aus dem Hoffenheimer Lager reichte der BVB-Vortrag aber allemal. Und keiner im Kraichgau hätte wohl damit gerechnet, dass sie genau die in Dortmund zuletzt ein paar mal zu oft gehört haben, um sich noch freuen zu können. „Klar, die Dortmunder findet man richtig geil, aber trotzdem kann man sie schlagen. Das ist schon unangenehm“, sagte Klopp. Das klang allerdings weder wütend noch sauer, wie ein paar Medien hinterher berichteten. Es war eher die launige Replik auf das Wort eines Trainerkollegen, mit dem sich Klopp ganz offensichtlich sehr gut versteht und den er zum Abschied lange umarmte.

1899-Coach Markus Gisdol hatte von „einem Punktgewinn gegen unser sportliches Vorbild“ gesprochen und damit Klopps fast schon schmunzelndes Statement provoziert: „Für viele Gegner ist die Partie gegen uns das Spiel des Jahres“, erwiderte Klopp, der sogar zwei „Spiele des Jahres“ witterte. „Klar kommen da noch die Bayern, aber gegen die rechnet man sich ja nichts aus. Deshalb sind die auch kein Vorbild, sondern Tabellenführer. Das ist irgendwie cooler.“