Die Bundesliga-Iraner brechen ein

Nach dem 1:3 gegen Mexiko versuchen die Iraner den Eindruck zu erwecken, die politischen Turbulenzen ließen sie kalt

NÜRNBERG taz ■ Branko Ivankovic ist ein freundlicher Mann. „Zu politischen Themen äußern wir uns nicht“, sagte der Nationaltrainer des Iran auf die Nachfrage eines Journalisten, ob die Diskussionen um die umstrittene Atompolitik des Landes und die Israel-feindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten die Mannschaft belastet hätten. Iran hatte gerade sein erstes Spiel dieser Weltmeisterschaft mit 1:3 gegen Mexiko in Nürnberg verloren.

Vor der Partie demonstrierten auf dem Nürnberger Jakobsplatz auf Initiative der israelitischen Kultusgemeinde rund 1.000 Menschen gegen die Politik des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Der bayerische Innenminister Kurt Beckstein nannte Ahmadinedschad auf dieser Veranstaltung einen „Verbrecher“, und auch gestern war die heikle Frage im politischen Deutschland virulent, ob man den Holocaust-Leugner, der Israel das Existenzrecht aberkennt, bei einem geplanten Besuch im Achtelfinale nun empfangen solle oder nicht. „Wir“, blieb Ivankovic freundlich, „beschäftigen uns nur mit Fußball.“

Seit Jahren handhaben die Fußballer aus dem Iran dies so, und es ist zumindest nach dem 45 Minuten gelungenen Auftritt festzuhalten, dass diese Mannschaft eine Bereicherung der WM ist, wenngleich durch die Niederlage die Chancen, ins Achtelfinale einzuziehen, entscheidend gesunken sind. „Es war mehr drin“, konstatierte Ivankovic, dessen Mannschaft in der ersten Halbzeit die favorisierten Lateinamerikaner beherrschte und Bravos Führungstor durch Golmohammadi schnell ausglich. Entscheidend für die Niederlage war der Kräfteeinbruch in der zweiten Halbzeit, wie nicht nur Ivankovic erkannte. Ausgerechnet die in Deutschland beschäftigten Stars offenbarten sich als Schwachpunkte. Ali Karimi von Bayern München fehlt die Spielpraxis, er wurde nach 62 Minuten ausgewechselt. Auch Vahid Hashemian von Hannover war lange verletzt und brach kräftemäßig in der zweiten Halbzeit ähnlich ein wie Mehdi Mahdavikia vom HSV, der zehn Tage nicht trainiert hatte. Ferydoon Zandi vom 1. FC Kaiserslauten fehlte fieberkrank. Die Schwäche dieser Leistungsträger wird womöglich dafür sorgen, dass die talentierte Mannschaft frühzeitig die Heimreise antreten muss.

Die Mexikaner nutzten ihre konditionelle Überlegenheit aus. Der nicht immer freundliche Trainer Mexikos, der Argentinier Ricardo La Volpe, belebte zudem mit zwei Einwechslungen zur zweiten Halbzeit seine verunsicherte Elf. Der frische Zinha bereitete nach zwei grotesken Fehlern der Iraner Abwehrspieler das 2:1 von Omar Bravo vor und köpfte das 3:1 selbst. „Wir haben für Oswaldo gespielt“, sagte der zweifache Torschütze Bravo.

Vergangenen Mittwoch war Oswaldo Sanchez’ Vater gestorben. Der Torhüter flog zur Beerdigung nach Guadalajara, stieß erst am Tag vor dem Spiel wieder zum Team und weinte nach dem Spiel: „Mein Vater hätte gewollt, dass ich spiele.“ Trainer La Volpe ergänzte mit dem Pathos eines Argentiniers, der seit Jahrzehnten in Mexiko lebt: „Vielleicht hat Oswaldo jetzt während der WM einen Schutzengel, der auf ihn aufpasst und ihn viele Bälle halten lässt.“ TOBIAS SCHÄCHTER