Die Gefahr für die Wale wächst

Erstmals hat sich die Walfang-Nation Japan auf internationaler Ebene genug Stimmen gekauft, um das Fang-Moratorium langsam auszuhöhlen

VON HANNA GERSMANN
UND GESA SCHÖLGENS

„Woher bekomme ich Walfleisch“, so fragt Volker – Nachname unbekannt – im Internetforum www.chefkoch.de. Die Frage ist ungewöhnlich. Bislang haben nur wenige Deutsche Appetit auf das Fleisch des Meeressäugers. In Europa ist es nur schwer zu bekommen. Der Handel ist verboten. Das könnte sich nun ändern.

Ende dieser Woche trifft sich die Internationale Walfangkommission (IWC) auf der Karibikinsel St. Kitts – zum Schlagabtausch zwischen Walfängern wie Japan und Gegnern wie Deutschland. Und zum ersten Mal werden die Fischereinationen, die die Wale harpunieren wollen, in der Mehrheit sein.

Derzeit gilt ein Walfang-Moratorium: Seit 1986 ist die Jagd auf Großwale, die 35 Meter lang sein können, und ihre Artgenossen verboten. „Die Tiere gelten als bedroht“, erklärt Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace. In vielen Ländern ist die Jagd verpönt. In Japan allerdings nicht. Dort wird das edle Schwanzstück eines Wals im Restaurant für mehrere hundert Dollar serviert. Seit Jahren kämpft Nippon verbissen für die Jagd. „Und diesmal haben sie vermutlich Erfolg“, meint Nicolas Entrup von der Whale and Dolphin Conservation Society Deutschland – mit einem Trick: „Japan kauft Stimmen kleiner Inselstaaten und anderer armer Länder, indem es ihnen Entwicklungshilfe zusagt“, erklärt Umweltschützer Maack. Auf St. Kitts sei mit Nippons Geld zum Beispiel eine neue Fischfabrik entstanden. Genauso sind Mittel aus Tokio etwa an Guatemala, Togo und mehrere Inselstaaten im Pazifik geflossen. Insgesamt, so schätzt Maack, habe Japan mehrere hundert Millionen Dollar ausgegeben. „Die Länder haben häufig keine Küste und nichts mit Walfang zu tun.“ Nun stimmten sie für den Abschuss.

Neu ist die japanische Strategie nicht. Nur passierte im letzten Jahr ein Patzer: So manches Land strich zwar das Geld ein, schickte zur IWC-Tagung aber keine Delegierten. Dieses Jahr beugen die Walfänger vor. Laut dem australischen Fernsehsender ABC übernimmt Tokio nun auch alle Flugkosten.

Am Ende dürfte sich das lohnen. 35 der bisher 66 IWC-Mitglieder stehen nun auf der Seite Japans. Die Walfänger können so zwar noch nicht das Moratorium kippen. Für eine solche Grundsatzentscheidung bräuchten sie eine Dreiviertelmehrheit. Aber schon ihre einfache Mehrheit ist „fatal für den Wal“, glaubt Volker Homes vom World Wide Fund For Nature. Denn 51 Prozent der Stimmen reichen aus, um die bisherige IWC-Politik zu kippen.

Die Walfänger könnten nun beispielsweise alle Länder auffordern, die Jagd zu so genannten wissenschaftlichen Zwecken auszuweiten. Formaljuristisch als Forschung legitimiert, lassen sich viele Wale töten, das zeigt die Erfahrung. Japan, aber auch Island und Norwegen umgehen das Jagdverbot seit langem, indem ihre Flotten angeblich im Dienste der Wissenschaft unterwegs sind. Allein dieses Jahr sollen 1.070 Zwergwale, 10 Finnwale und 160 Pott- und Brydewale getötet werden. Das Fleisch landet im Handel – „damit es vollständig verwertet wird“, so die Regierung.

Aber: Mittlerweile lagern in Japans Kühlhaus knapp 3.000 Tonnen Walfleisch. Denn nur wenige Teile des tranigen Wals sind teuer und gefragt, der große Batzen ist ein Ladenhüter. Im Schnitt kostet 1 Kilo Walfleisch derzeit 18 Euro. Die Preise gingen in den letzten Jahren um gut ein Drittel zurück. Da hilft es auch nicht, dass Tokio Walburger in Schulkantinen sponsert oder Ernährungswissenschaftler ein Spaghetti-Bolognese-Gericht mit Walspeck entwickeln ließ. Der Appetit schwindet.

Warum Tokio trotzdem in den Walfang investiert? Die Riesen fressen den Fisch weg, argumentiert Japan. Stefanie Werner von Greenpeace indes erklärt: „Die Regierung hat vor kurzem eine private Walfangflotte übernommen, sie will verdienen.“