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Gut geklaut

OUTLAWS „Letzte Stories“ von einem der Letzten, die noch Subkultur betreiben: Neues von Franz Dobler

Franz Dobler ist ein Anhänger der alten Schule, er beherrscht die „Hard-boiled“-Schreibe

„Sie kannten sich erst seit zwei Tagen, und von einem Hund hatte sie ihm nichts erzählt.“ Das ist natürlich ein fabelhafter Einstieg in eine kleine, skurrile Geschichte, und Franz Dobler, Anfang 50, Augsburger, beherrscht solche fabelhaften Einstiege, denn Dobler, den man hoffentlich von seinem Roman „Tollwut“ kennt oder von seiner Johnny-Cash-Biografie oder von einigen anderen Sachen, ist ein Schreiber der alten Schule, ein Künstler des zuschlagenden Satzes, der Punchline, der coolen, eingestreuten Bemerkung, und er verhehlt auch nicht und nirgendwo, wo und bei wem er diese Kunst gelernt hat.

Dobler ist auch einer der Letzten, die eine unhippe Form von Subkultur betreiben und propagieren, in seinem Fall sind das obskure Musiken aus dem Amerika der fünfziger und sechziger Jahre, hauptsächlich Country.

Für dieses Buch hier, „Letzte Stories“, 26 in alphabetische Reihenfolge gebrachte Geschichten, spielt das keine große Rolle. Auch wenn oben zitierter Anfang unter der Überschrift „Punk“ stattfindet. Dobler bejaht die Codes und Klischees der Subkultur und anderer Erscheinungsformen menschlicher Wirklichkeiten nicht, er nimmt sie auseinander. Auf eine erstaunte Art. Und zeigt sich oder seine Protagonisten, seine Stellvertreter und Alter Egos in einem Zwielicht aus Coolheit, Bescheidenheit und sanftem, selbstironischem Losertum. Dobler ist wie gesagt ein Anhänger der alten Schule, er beherrscht eine manchmal auch gestanzt wirkende Schreibe, die man vormals hard-boiled nannte und die man von den Revolutionären des Kriminalromans kennt, von Raymond Chandler und Dashiel Hammett.

Und natürlich von seinem deutschen Vorläufer und Vorbild, dem großen, lange verkannten Schriftsteller und Journalisten Jörg Fauser. Und da Dobler kein Blender ist, kein Falschspieler, nennt er sie auch, seine Vorbilder, lässt sie auftauchen in den Geschichten, verhandelt sie. In der letzten, „Zufall“, tritt Doblers Kollege Edo Popovic auf, und natürlich finden die beiden Autoren in Fauser den gemeinsamen Ahnen. Dazu fallen lustigerweise noch die Namen Peter-Paul Zahl und Ludwig Fels.

„Letzte Stories“: Dobler mag, wie sich das für diesen Stil gehört, natürlich die Außenseiter, die Outlaws, die Bars und Spelunken; mag Hollywood, Elvis, Amerika; mag die einfachen Menschen, die ihre Abgründe nicht lange hinter schönen Worten und Gesten verstecken. Manchmal ist es aber auch gerade das, diese Form von Sozialromantik, die Romantik des Randständigen, die Ermüdungserscheinungen nach sich zieht. Man kennt das, man kennt den Stil, das Anliegen, die Vorlieben, man kennt die Vorbilder, und hierzulande durchsetzen muss man sie schon länger nicht mehr.

Und manchmal steht Dobler auch mit einer Zehe in dem Abgrund, in dem sich ansonsten nur Lesebühnenarbeitende und Poetryschlammkämpfende tummeln: nämlich dann, wenn er den Fehler begeht, aus Einfallslosigkeit und einer banalen, alltäglichen Begebenheit unbedingt einen Text machen zu wollen (hier besonders die Geschichte „Wahnsinnig“: Kein Wunder, dass eine Katze in der Geschichte eine wesentliche Rolle spielt). Aber das sind Ausnahmen. Das kleine Buch mit den 26 Geschichten ist abgedreht genug, immer auch mit einem Schlenker ins hard-boiled Surrealistische, dass weder Langeweile noch Überdruss aufkommt.

Wenn Dobler jetzt noch an der Schraube dreht und aus der sehr gut geklauten Schreibe eine macht, die die Vorbilder vergessen macht, dann haben wir es endlich mal wieder mit einem vorzeigbaren deutschen Autor zu tun, der sich nicht vom Betrieb bestimmen und verfälschen lässt. RENÉ HAMANN

Franz Dobler: „Letzte Stories – 26 Geschichten für den Rest des Lebens“. Blumenbar Verlag, Berlin 2010 168 Seiten, 17,90 €

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