Im ewig bewegten Kosmos

Stillstand gibt es nicht. Historische Positionen treffen auf zeitgenössische Statements und Experimente. Von Calder und Tinguely bis zur zeitgenössischen „mobilen Kunst“ im Museum Bochum

VON ANDREA SCHMIDT

Per Knopfdruck fällt an der „Maschinenbar“ der Hammer auf das niedliche Plüschwesen, dann wird ein Stofffrosch gegen die Wand geschmettert, dazu rattern quietschende Motoren. Ein Jran Tinguely – zweifelsfrei. „Seid statisch – mit der Bewegung“ forderte der schon 1959 in seinem Manifest, das er in 150.000 Exemplare über der Stadt Düsseldorf abwerfen ließ. Jetzt ist seine anarchisch groteske Maschinenkunst im Museum Bochum zu erleben. Neben den poetisch schwingend Mobiles Alexander Calders bilden Tinguelys Maschinerien den Kernpunkt der gerade eröffneten Ausstellung „und es bewegt sich doch...“.

Den beiden Altmeistern sind rund fünfzig Künstler zur Seite gestellt. In deren Werken donnert, kracht, sprenkelt, schwankt oder vibriert es auch. Arbeiten, die den Betrachter einbeziehen in ihren ewig bewegten und bewegenden Kosmos, die neugierig machen und den natürlichen Spieltrieb wecken. Ironisch werden hier Prinzipien der globalen Mobilitätsgesellschaft hinterfragt, wie bei Rebecca Horns hochhackigen Tanzschuhen, die bei ihrem endlosen Marsch doch auf der Stelle treten. Der Mexikaner Fernando Palma Rodriguez dagegen konstruiert aus Mülltüten, Blechdosen und kantigen Sperrholzresten ein zuckendes Pferd. In einem mythischen Garten aus Erde, Büschen und Brunnen bäumt es sich am Boden liegend auf, wahrend ein blinkender Baumgeist beschwörende Formeln spricht. Paradise Lost!

Auch auf dem Museumsdach rumort es weiter. Dort lässt Michael Sailstorfer einen zusammengezimmerten Blech-Globus mitsamt Satellitenlaterne kreisen, angetrieben durch den Motor eines abgehalfterten Mercedes. Direkt daneben ist ein maroder Kleintransporter zum Springbrunnen umfunktioniert.

Doch nicht nur das Museum neben dem Bochumer Stadtpark wird bespielt. Die ganze Stadt wird während der Sommermonate zum künstlerischen Aktionsraum. Vor dem Museum wächst immer noch Nol Hennissens „Bauzaunprojekt“. Der alte Zaun – Zeichen städtischer Misere – wird ständig durch Leihgaben Bochumer Bürger erweitert. Ein buntes Puzzle aus Jäger- und Lattenzäunen ist so bereits entstanden. Verschiedene Aktionen sorgen zudem für Irritationen im Alltag. So will der finnische Performer Roi Vaara mit einem Tulpenstrauß stundenlang auf einem zentralen Platz in der Innenstadt regungslos ausharren. Mehr als die Bewegung der nach und nach herabhängenden Tulpenköpfe zielt die skurrile Aktion auf die Gedankengänge in den Köpfen der Zuschauer.

Neben den temporären Aktionen stellt die Ausstellung aber auch eine Verbindung zu bereits bestehenden Werken im Stadtgebiet her. Die Kunst-Sammlung der Ruhr-Universität, die Burg Haus Kemnade oder die ausgelagerte Situation Kunst werden mit bei Rundfahrten und Hubschrauber-Painting erkundet.

Serras verkehrsumtostes „Terminal“ am Bochumer Hauptbahnhof war jahrelanger Zankapfel in der Bürgerschaft. Heute ist es Sinnbild der ganzen Ausstellung. Obwohl sich bei den vier meterhohen Stahlbrammen nichts bewegt, lässt sich das sperrige Werk von keiner Seite ganz erfassen. „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ verkündete schon Picabia. Die Bochumer mobile Ausstellung quer durch die Stadt lädt auf lustvolle Weise gerade hierzu ein.

Bis 03. SeptemberInfos: 0234-516000