Feiertag statt Freiertag

Bisher bildet die WM keine zusätzliche Einnahmequelle für Prostituierte. Experten glauben nicht an die von der „Bild“ erwartete „Sex-Invasion“ zum Spiel Deutschland gegen Polen am heutigen Abend

VON KATHARINA HEIMEIER

Ein Ansturm der Fußballfans auf die Bordelle ist nach Angaben von Prostituierten-Hilfsorganisationen bisher ausgeblieben. Das wird sich heute ändern – glaubt die Bild-Zeitung. Sie rechnet zum Spiel Deutschland gegen Polen in Dortmund mit einer „Sex-Invasion“ und nannte den Fans in der Ausgabe von gestern direkt ein Etablissement, dessen Besitzer mit 250 Quadratmeter Fußballrasen „fürs frivole Torwandschießen“ wirbt. Gisela Zohren von der Dortmunder Mitternachtsmission, einer Anlaufstelle für Prostituierte, rechnet dagegen nicht mit vielen Prostituierten, die extra zum WM-Spiel heute anreisen. „Die kommen nicht für einen Tag. Wo sollen sie denn hin?“ Auch die Stadt Dortmund erwartet keinen Ansturm von polnischen Prostituierten. „Ob überhaupt und wenn ja, wie viele Prostituierte aus Polen kommen, ist Spekulation“, sagt Stadtsprecher Hans-Joachim Skupsch.

Über die „Sensationsberichterstattung“ der Medien ärgert sich Gisela Zohren. „Das schadet dem Ansehen der Stadt.“ Die Fans würden aus ihrer Heimat eine völlig andere Situation kennen. „In Polen beispielsweise ist Prostitution gänzlich verboten und in Schweden werden Freier bestraft“, sagt sie. Aus Sicht der ausländischen Fans würde sich Deutschland als das Prostitutionsland schlechthin darstellen. „Das stimmt nicht und schadet im Endeffekt den Frauen“, sagt Zohren.

Auch Ingrid Fischbach, Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, bedauert Schlagzeilen wie die der Bild-Zeitung. „Das stellt die Städte in einem schlechten Licht dar – und das, wo wir ohnehin eine Gesetzeslage haben, mit der andere Länder Probleme haben“, sagt Fischbach.

Die ausländischen Fans haben unterdessen keine Probleme, den Weg in die Bordelle und Klubs zu finden. „Einen Anstieg an Gästen haben die Klubs schon, aber nicht an Umsatz. Die trinken Bier, gucken sich die Frauen an und dabei bleibt es“, sagt Zohren, die ständig im Kontakt mit Klubbesitzern und Prostituierten steht.

Auf der Dortmunder Bordellstraße am Hauptbahnhof seien „nur ein paar Irre unterwegs, die die Frauen anpöbeln“ und auf dem Straßenstrich hätten einige wenige Prostituierte mehr Kunden. An der Notruf-Hotline, die die Mitternachtsmission eigens zur WM eingerichtet hat, hätten sich noch keine Prostituierten gemeldet.

„40.000 Liebesdamen extra“ würden zur WM erwartet, schreibt die Bild. „Diese Zahl haben wir schon in etlichen Interviews angezweifelt“, sagt Zohren von der Mitternachtsmission. Auch Skupsch von der Stadt Dortmund sagt: „Diese Zahl geistert seit Monaten durch die Gazetten, woher sie stammt, ist uns schleierhaft.“ Auswirkungen der Bild-Berichterstattung auf die Meinung der ausländischen Fans zur WM-Stadt Dortmund befürchtet er aber nicht: „Das wirft kein schlechtes Licht auf Dortmund.“