Tote bei Protesten gegen Verfassung

KENIA Bei einer Massenpanik nach zwei Explosionen sterben in Nairobi mindestens fünf Menschen

AUS NAIROBI MARC ENGELHARDT

Am Tag danach ist der Uhurupark im Zentrum Nairobis weiträumig abgesperrt. Kriminalbeamte in weißen Anzügen suchen nach Spuren, die auf die Herkunft der Sprengsätze hinweisen, die hier am Sonntagabend detoniert sind. Tausende Menschen beteten zum Abschluss der Protestkundgebung gegen die geplante Verfassung, als die erste Explosion die Innenstadt erschütterte. Als sich eine Viertelstunde später die zweite Detonation ereignet, flieht die Menge panisch in alle Richtungen. Im Chaos kommen mindestens fünf Menschen ums Leben. 75 werden verletzt in Kliniken gebracht.

Die Anführer der Kampagne gegen die Verfassung, die Anfang August in einem Volksentscheid beschlossen werden soll, machten nur Stunden danach die Befürworter des Gesetzeswerks für den Doppelanschlag verantwortlich. „Dieses Vorkommnis zeigt, dass manche Leute die Verfassung mit Gewalt durchsetzen wollen“, erklärte der Bildungsminister William Ruto. Mit Führern evangelikaler Kirchen wirbt er für ein Nein zur Verfassung – eine Position, die laut Umfragen nur knapp ein Viertel der Kenianer teilen. Als Gründe nennen die Kritiker, dass die neue Verfassung Abtreibungen in Ausnahmefällen erlaubt, und die geplante Einführung von Scharia-Gerichten in überwiegend muslimischen Landesteilen.

Doch Bürgerrechtler glauben, dass die Verfassungsgegner für ihre Ablehnung wirtschaftliche Motive haben. Der Expertenentwurf sieht die Schaffung einer mächtigen Landkommission vor, die unrechtmäßig erworbenen Grund und Boden an den Staat oder die Besitzer zurückgeben soll. Weil die Regierung des für seine Korruption berüchtigten Präsidenten Daniel arap Moi ihre Stützen jahrelang mit illegalen Landtiteln „bezahlte“, trifft diese Regelung vor allem einflussreiche Politgrößen.

Präsident Mwai Kibaki, der wie Premier Raila Odinga die neue Verfassung befürwortet, lud deren Gegner am Montag vor. Gerüchten zufolge will er alle Demonstrationen vor der Volksabstimmung verbieten. Viele Kenianer würden das unterstützen. Die Bilder vom „blutigen Sonntag“ lassen die Erinnerung an die Gewalt nach den Wahlen 2007 wieder aufleben, bei der 1.300 Menschen ums Leben kamen. Die Angst ist groß, dass sich diese Szenen wiederholen, wenn niemand eingreift.