Die Offensive regiert

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

In Israel und Palästina wird wieder auf Gewalt gesetzt. Bei einem Raketenangriff auf ein Fahrzeug militanter Palästinenser in Gaza tötete die israelische Luftwaffe am Dienstag elf Menschen, darunter zwei Kinder. Etwa 25 Menschen wurden verletzt. Der israelischen Regierung zufolge befanden sich in dem Wagen zwei Extremisten auf dem Weg zu einem erneuten Raketenangriff auf Israel. „Die Zurückhaltung, die wir nach dem Zwischenfall am Strand von Gaza an den Tag legten, ist vorbei“, erklärte der israelische Verteidigungsminister Amir Peretz unmittelbar vor dem erneuten Luftangriff.

Die israelische Armee, die seit Monaten den nördlichen Gaza-Streifen bombardiert, um so den fortgesetzten palästinensischen Raketenbeschuss zu unterbinden, hatte in den vergangenen Tagen auf Angriffe verzichtet. Nachdem aber in der vorigen Woche am Strand von Gaza eine siebenköpfige badende Familie durch eine Explosion am Strand von Gaza getötet worden war, hatte die Hamas nach fast eineinhalbjähriger Pause wieder angefangen, Kassam-Raketen abzufeuern. Allein am Wochenende seien rund 70 Raketen abgegeben worden, so die Israels Armee.

Wer die Verantwortung für die Toten am Strand von Gaza trägt, ist noch immer unklar. Laut Medienberichten haben israelische Untersuchung ergeben, dass die Explosion nicht durch eine israelische Granate verursacht worden sei. Stattdessen handele es sich um eine von Hamas-Aktivisten versteckte Bombe, die angeblich gegen israelische Soldaten gerichtet war. Sowohl die Splitterteile als auch der Explosionskrater deuteten eher auf einen Sprengsatz hin. Unmittelbar nach dem Zwischenfall hatten israelische Regierung und Armee Bedauern über den Tod der sieben Unschuldigen geäußert.

Im Gaza-Streifen demonstrierten gestern tausende Anhänger der Hamas gegen die Fatah-Randale vom Montagabend in Ramallah. Aktivisten der Fatah hatten dabei das Parlamentsgebäude und mehrere Regierungsbüros verwüstet und zum Teil in Brand gesteckt, darunter auch das Büro von Premierminister Ismail Hanije. Der Sturm war wiederum eine Reaktion der Fatah auf einen Überfall der Hamas, bei dem zuvor zwei Menschen ums Leben gekommen waren.

Als Folge der Konfrontation trat gestern der Tourismusminister Dschauda Morkos zurück. Der Schritt Morkos’ erfolgte nach Angaben des Parlamentspräsidenten Asis Dweik, nachdem der einzige Christ in der Regierung von mehr als einem Dutzend bewaffneter und maskierter Männer in seinem Haus bedroht worden war. „Ich bin sehr besorgt“, kommentierte der Chefunterhändler, Saeb Erikat, bei früheren Friedensgesprächen. „Die Dinge rinnen uns wie Sand aus den Fingern.“ Erikat sprach von „maximalen Anstrengungen“, um die Spannung beizulegen, die bislang 20 Todesopfer forderte.

Der Konflikt, der unmittelbar nach der Regierungsübernahme durch die Hamas zunächst auf den Machtkampf um die Kontrolle über die Sicherheitsdienste konzentriert war, droht mit dem näher rückenden Referendum weiter zu eskalieren. Das von der Hamas dominierte Parlament hatte zwar am Montag auch als Geste der Versöhnung eine Abstimmung gegen das Referendum zunächst verschoben.

Dennoch scheint nahezu ausgeschlossen, dass die Abgeordneten noch vor dem Stichtag, 26. Juli, für den Volksentscheid Abbas nachgeben werden. Der Palästinenserpräsident hatte das so genannte Gefangenendokument, ein von inhaftierten Palästinensern aller Fraktionen ausgearbeiteten Kompromisplan, ultimativ zur Zustimmung vorgelegt. Die Hamas lehnt den Plan ab und stellt die Rechtmäßigkeit eines Referendums in Frage.