Massenflucht aus Kirgisien

ESKALATION Zehntausende Angehörige der usbekischen Minderheit suchen Schutz in Usbekistan. Grenze wird geschlossen. Hinweise auf Massenvergewaltigungen

OSCH apn/taz | Nach den Unruhen in Kirgisien bahnt sich in der zentralasiatischen Region eine Flüchtlingskatastrophe an. Zehntausende Angehörige der usbekischstämmigen Minderheit flüchteten vor der Verfolgung durch kirgisische Banden in das benachbarte Usbekistan. Schätzungen einiger Behördenvertreter gehen von mehr als 100.000 Flüchtlingen aus.

Angesichts des Ansturms kündigte die usbekische Regierung an, die Grenze zu Kirgisien zu schließen. „Ab heute werden wir von der kirgisischen Seite keine Flüchtlinge mehr akzeptieren, weil wir sie nicht unterbringen können“, sagte Vizeministerpräsident Abdullah Aripow. „Wir brauchen humanitäre Hilfe von internationalen Organisationen“, sagte Aripow beim Besuch eines Flüchtlingslagers.

Auslöser der Flucht sind die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Angehörigen der usbekischen Minderheit, die den Süden des Landes seit Freitag erschüttern. Dabei kamen nach neuen kirgisischen Angaben mindestens 124 Menschen ums Leben, mehr als 1.600 Menschen wurden verletzt. Bewaffnete kirgisische Banden hatten in der Stadt Osch Geschäfte und Häuser der usbekischen Minderheit attackiert. Auch die Region um die Stadt Dschalalabad wurde von der Gewalt erfasst. Nach Angaben der Zentralasienexpertin von Human Rights Watch, Andrea Berg, die sich derzeit in Osch aufhält, sollen sich Gerüchte über Massenvergewaltigungen mittlerweile bestätigt haben. Sie habe davon aus mehreren Quellen erfahren, sagte Berg der taz.

Die Lage im Süden des Landes war am Montag weiter angespannt. Die Übergangsregierung räumte ein, dass die kirgisischen Streitkräfte nicht in der Lage seien, der Gewalt Einhalt zu gebieten. Am Wochenende hatte Bischkek Russland um militärischen Beistand gebeten, was Moskau abgelehnt hatte.

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