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Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

„Is’ das Kunst, oder kann das weg?“, fragt sich nicht nur Mike Krüger. Ja, man möchte abräumen. In dieser total vollgestellten Welt. Man möchte die Kunst abräumen und die Nicht-Kunst, da man eh nicht weiß, was was ist. Man möchte das Design abräumen, dieses DMY-You-May-Furniture im öffentlichen Raum, von dem seine Erfinder von Walking Chair behaupten, es mache uns automatisch wieder zum Zoon Politikon. Warum eigentlich? Es ist also ein wirkliches Glück, jetzt bei Thomas Schulte auf den großartigen Abräumer Gordon Matta-Clark zu treffen, ein Glück, das auf den Satz hinaus läuft: „Ja, das kann weg, schließlich is’ das Kunst“ – mit dem Titel „Office Baroque“. Für seine letzte Arbeit, bevor er 1978 im Alter von 35 Jahren an Krebs starb, sägte sich Matta-Clark mit seinem Mitarbeitern durch die Geschossdecken und -wände eines leer stehenden fünfstöckigen Bürogebäudes in Antwerpen, wobei drei kreisförmig sich überlagernde Kaffeetassenränder auf einer Tischdecke die konische Form seiner Schnitte angeregt hatten. Geblieben sind ausgeschnittene Gebäudeteile und seine collagierten Cibachrome, in denen er das zum Kunstobjekt demontierte Haus fotografisch festhielt: Die schwindelerregend elegante Form der Durchbrüche, durch die man mehrere Stockwerke überblickt. Neben diesen Bildern zeigt Schulte einen fantastischen Dokumentarfilm, der neben den sich öffnenden Blickachsen auch den oft gefährlichen Arbeitsprozess und die nicht minder gefährliche Begehung des transformierten Gebäudes durch Freunde, Mitarbeiter und Besucher als integralen Bestandteil des künstlerischen Eingriffs erkennbar macht. Gordon Matta-Clark schaffte also nicht nur sich selbst Raum, sondern auch uns. Man kann sich nur dem FAZ-Kollegen Maak anschließen, der einmal schrieb: „Schauen Sie sich mehr Gordon Matta-Clark an! Es lohnt sich! Es ändert Ihr Leben!“

■ Gordon Matta-Clark „Office Baroque“: Galerie Thomas Schulte, Charlottenstr. 24, bis 31. Juli, Di.–Sa. 12–18 Uhr

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