„Ein riesengroßer Regenbogenhut“

REISEDIPLOMATIE Offizielle Reisen nach Sotschi sind nur sinnvoll, wenn sie ein klares Zeichen setzen, sagt Marieluise Beck (Grüne)

■ Die 61-Jährige ist Bundestagsabgeordnete der Grünen. Sie ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist Osteuropa.

taz: Frau Beck, das am Mittwoch verabschiedete Amnestiegesetz eröffnet die Möglichkeit, dass auch die Aktivisten von Greenpeace und die beiden inhaftierten Mitglieder der Frauenpunkband Pussy Riot freikommen könnten …

Marieluise Beck: Noch ist nicht ganz klar, wie diese Amnestie beschaffen sein wird. Zunächst werden in einem Gesetz bestimmte Kriterien genannt. Wer unter diese Kriterien fällt, kommt dann nach richterlicher Prüfung in den Genuss der Amnestie.

Hat diese Amnestie etwas mit den bevorstehenden Olympischen Winterspielen zu tun, die im Februar in Sotschi beginnen?

Davon gehe ich aus. In einem echten Rechtsstaat gebe es die Möglichkeit, Gas zu geben oder den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, nicht. In Wladimir Putins Russland hingegen ist es möglich, Unannehmlichkeiten, die man vor einem Großereignis lieber nicht haben möchte, aus dem Weg zu räumen. Deswegen eben auch eine handverlesene Amnestie.

Die USA haben gerade bekannt gegeben, dass sie keine ranghohen Regierungsvertreter nach Sotschi schicken werden. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung?

Das amerikanische Vorgehen ist klug, weil es uns nicht in die Entweder-oder- und Boykottdebatte drängt. Mit der Auswahl der Delegationsmitglieder werden ganz klar die Themen benannt und dokumentiert, um die es geht, nämlich die Diskriminierung von Homosexuellen. Mit dem Downgrading der Repräsentanten wird ein Zeichen gesetzt: „Angesichts der gegenwärtigen Situation der Menschenrechte in Russland geben wir nicht unser Gesicht her, um das ganz große Fest ins Bild zu setzen.“ Es wird nicht das Foto geben, auf dem Präsident Barak Obama klatschend neben Wladimir Putin steht.

Sollten sich auch deutsche Regierungsvertreter von Sotschi fernhalten?

Eine Zurückhaltung ist hier sehr wohl angemessen und richtig. Wir erleben gerade, dass der Kreml alles tut, um der Bevölkerung in der Ukraine den von ihr gewünschten Weg in Richtung Europa zu verstellen. Da geht man nicht, als ob nichts wäre, miteinander auf die Tribüne. Hingegen Besuche, die mit klaren Zeichen verbunden sind, können durchaus sinnvoll sein.

Zum Beispiel?

Ein riesengroßer Regenbogenhut, den eine der deutschen Delegationsdamen trägt.

INTERVIEW: BARBARA OERTEL