hartmann, burg etc.
: Die Firma übernehmen

Matthias Hartmann ist zum Intendanten des Burgtheaters ab 2009 bestellt worden. Im Wiener Theatergedächtnis hat sich eine „Räuber“-Inszenierung Hartmanns 1995 an der Burg gut erhalten: Vor dem großen Buch des Lebens tragen ein paar verlorene Helden den Moor’schen Erbfolgestreit unter sich aus, lakonisch, spaghettiwesternleicht.

Retrospektiv erscheint die Inszenierung als heimliches Programm einer Regiegeneration, die vom Münchner Residenztheater aus gut als Marke eingeführt wurde: Revolte durch Affirmation gegen die Deutungsmacht der so genannten 68er im kulturellen Feld. Nicht die Welt verändern, sondern die Firma übernehmen. Das berührte tatsächlich die Lebenslüge der Älteren, dass Gesellschaften sich selten durch Revolten verändern und deren Protagonisten immer nur die Firma übernehmen wollen.

Nach seinen Zeiten als Intendant in Bochum und Zürich wird Hartmann nun selbst die größte Firma übernehmen, die Trutzburg des Staatstheatergedankens. Gut möglich, dass er einmal besser gewesen sein wird als die Sehnsucht, die ihm an der Wiener Burg entgegentritt. Noch immer vermisst man Claus Peymann, noch immer gilt die Sehnsucht rechts wie links wieder dem großen Literaturtheater mit – in Maßen – politischem Anspruch und der „Handschrift“ selbst inszenierender Theaterautokraten. Es soll wieder werden, als ob all das, was in der jüngeren Vergangenheit – ästhetisch wie ökonomisch – an den Gewissheiten des Theaters nagte, nie gewesen wäre. Ein conservative turn, der zurzeit das kulturpolitische Klima Österreichs bestimmt, lässt wieder an Repertoire, Abonnenten, Kanon glauben und an ein Bildungsbürgertum, das allen Versuchungen der Kulturindustrie gegenüber immun ist. Das Theater soll mit neuen Stücken und neuen Deutungen auf die Gegenwart reagieren, sich aber tunlichst nicht in seiner Produktionsweise selbst aufs Spiel setzen. Von Wien aus betrachtet kann die Welt gar nicht so komplex sein, als dass sie nicht bequem in den Satzspiegel eines Reclamheftes passen würde.

Hartmann scheint das alles zu verbürgen im Rückgriff auf eine ältere Typologie von Führungskraft. Der derzeitige Amtsinhaber Klaus Bachler agiert mit Managerattitüde und als geschickter Agent der Zirkulationssphäre. Er ist eher eine Figur des Umbruchs, die den Marktwert des Theaters optimiert, und, wenn auch nicht immer ästhetisch prägnant, durch ein unübersichtlich gewordenes Umfeld führt. Mit Hartmann kehrt die Ideologie der guten alten, von einem liebenden Patriarchen geführten Theatermanufaktur zurück. Es kocht der Chef. UWE MATTHEIS