Regionalbahn gegen Mehrwertsteuer

Wenn der Bund die Gelder für den Nahverkehr kürzt, wollen die Länder heute im Bundesrat die Steuererhöhung ablehnen. Auch Bahnfreunde räumen aber ein, dass die Gelder in der Praxis oft zweckentfremdet oder ineffizient verwendet werden

VON BERNWARD JANZING

Die Bundesregierung steht wegen der geplanten Kürzung von Geldern für den Regionalverkehr der Bahn erheblich unter Druck. Denn die Bundesländer, die heute im Bundesrat zu entscheiden haben, lehnen die geplante Reduzierung geschlossen ab. Bis gestern nach Redaktionsschluss versuchte die Bundesregierung noch, einen Kompromiss mit den Ländern zu finden.

Der Bund will den Ländern statt bisher 7,1 Milliarden Euro künftig nur noch 6,6 Milliarden Euro als Zuschuss für den Nahverkehr überweisen. Organisationen wie die Allianz pro Schiene, der Deutsche Naturschutzring, der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund protestierten gegen die Kürzungen.

Sollte die Länderkammer das Haushaltsbegleitgesetz, das diese Kürzungen vorsieht, am heutigen Freitag tatsächlich ablehnen, hätte dies weit reichende Folgen für den gesamten Bundeshaushalt. Allerdings weniger wegen der dann unverändert bleibenden Bahnmittel, sondern wegen der im gleichen Paket enthaltenen Mehrwertsteuererhöhung. Denn eine Ablehnung durch den Bundesrat brächte einige Verzögerungen. Während Bahnexperten einen Beibehalt der aktuellen Finanzierung fordern, setzten sie sich aber zugleich auch für einen effizienteren Einsatz der Regionalisierungsmittel ein. Wie dieser aussehen könnte, haben der VCD und der Tübinger Geograf und Nahverkehrsberater Gerd Hickmann untersucht. Herausgekommen sind „Sieben Bausteine für einen attraktiven, effizienten und wirtschaftlichen Nahverkehr auf der Schiene“.

Ein wesentlicher Aspekt sei die Transparenz und Zweckbindung der Mittel. Denn bislang werden die Gelder teilweise zweckentfremdet. So sollen zum Beispiel für den geplanten Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs („Stuttgart 21“) 102 Millionen Euro von den Regionalisierungsmitteln abgezogen werden. Oder es werden die Kosten der Schülerbeförderung, die eigentlich aus Landesmitteln zu finanzieren sind, aus den Beträgen des Bundes bezahlt. Der VCD fordert daher eine jährliche Berichtspflicht für die Länder.

Einen erheblichen Beitrag zur Kostensenkung sehen die Verkehrsexperten auch in einem stärkeren Wettbewerb auf der Schiene. Durch Ausschreibung der Verkehrsdienstleistungen lasse sich der Zuschussbedarf erfahrungsgemäß um 20 Prozent reduzieren. Der Bund müsse daher jetzt einen verbindlichen Zeitplan für die Ausschreibung aller Strecken vorlegen. Voraussetzung für bestmögliche Effizienzgewinne sei jedoch eine Trennung von Infrastruktur und Transport. Die Deutsche Bahn dürfe daher nicht mitsamt des Netzes an die Börse gebracht werden, weil diese Konstruktion Mitbewerber behindere.

Neben dem Vorschlag, die Verantwortung für die Bahnstrecken vom Bund an die Länder zu übertragen, setzt der VCD auf den Wechsel von einer Aufwands- zur Erfolgsfinanzierung. Bisher werden Zuschüsse im Nahverkehr am Aufwand bemessen. Hohe Ausgaben bedeuten hohe Zuschüsse. Die Bahnexperten fordern nun, die Zuschüsse am Erfolg der Bahn, also an den Fahrgastzahlen und der Zahl der Zugkilometer, zu orientieren. So könne ein „Wettbewerb unter den Bundesländern um die besten Schienenverkehrskonzepte mit den größten Fahrgastzuwächsen stimuliert werden“.

Wie sehr sich mit attraktiven Angeboten die Fahrgastzahlen steigern lassen, belegen einige modernisierte Strecken. Auf der Murgtalbahn bei Karlsruhe stiegen seit dem Ausbau die Passagierzahlen um 159 Prozent, auf der hessischen Taunusbahn um 520 Prozent. Auf der nordrhein-westfälischen Regiobahn zwischen Kaarst und Mettmann erhöhte sich die Zahl der täglichen Passagiere sogar von 500 auf 18.000 Personen, das entspricht einer Steigerung von 3.600 Prozent.