Nelson Mandela

Politiker. 18. Juli 1918 – 5. Dezember 2013

VON RITA SÜSSMUTH

Die erste Begegnung mit Nelson Mandela im Februar 1995 bleibt für mich unvergesslich. Eingeladen war ich vom dortigen Parlament. Der Einladung folgend, wünschte ich mir natürlich Begegnungen mit afrikanischen Frauen. Der Weg zum Präsidenten führte über eine Baustelle, auf der fast nur Frauen arbeiteten. Sie lernten, kleine Wohnhäuser zu bauen, und waren voller Tatkraft – lachend, singend und voller Zuversicht. Seltsam, ich war nicht entsetzt, vielmehr überrascht. Ich bewunderte diese vitale Energie. Diese Frauen vermittelten das Gefühl: „Wir verändern unser Land, wir sind wichtig und gehören dazu.“

Was dann folgte, passte nicht in meine bisherigen Erfahrungen und Vorstellungen. Einige Frauen aus dieser Gruppe unterbrachen die Arbeit und begleiteten mich zum Präsidenten. Gemeinsam und ohne große Schranken und Sicherheitskontrollen standen wir vor dem Präsidenten, der vor seinem Amtssitz, in einem afrikanischen Hemd im Korbstuhl saß und zunächst seine Frauen erzählen ließ: ruhig, entspannt, aufmerksam zuhörend, mit wachen Augen und einem einzigartigen Lächeln. Keine Spur von 26 Jahren Gefangenschaft auf Robben Island. Er war mitten im Leben, sprach über die zu bewältigenden Zukunftsaufgaben, über Helmut Kohl und sein Hilfsangebot. Spontan entstand Nähe.

Ich fragte ihn, ob er nach Deutschland in unser Parlament kommen möchte. Ein spontanes Ja war seine Antwort. Im Jahr 1996 wurde schließlich ein Treffen im Parlament Wirklichkeit. Wie konnte ein einzelner Mensch derart Ungewöhnliches bewirkt haben? Woher nahm er die innere Kraft – das Motto der Versöhnung durch Freiheit und Menschlichkeit. Ich erinnere mich noch heute an den Satz: „Wer Hass verspürt, kann nicht frei werden.“ Es gab ein Netzwerk gleichgesinnter Menschen, auf die er sich verlassen konnte und die sich nicht aufgaben. Der von vielen Geächtete und Angegriffene war stärker als seine Widersacher. Er glaubte an die Befreiung und Veränderung. Meine Erinnerungen aus Südafrika sind mit diesem einzigartigen Menschen verbunden. Der Tod dieses ungewöhnlichen Außenseiters hat sein Volk und die Welt mit der Losung aufgerüttelt: „Macht Euch auf und verändert die Welt zum Besseren!“

■ Rita Süssmuth, 76, war Bundestagspräsidentin. Sie hat Mandela mehrfach persönlich getroffen