EXVERKEHRSMINISTER AUF SPRITZTOUR
: Ein Mann, ein Schild

JANNIS PAPADIMITRIOU

Spätestens jetzt begreifen die Griechen, dass die Krise auch ihre Politiker in Mitleidenschaft zieht. Ausgerechnet der ehemalige Verkehrsminister Michalis Liapis wurde bei einer Verkehrskontrolle mit gefälschten Nummernschildern erwischt. Die echten Autokennzeichen, bedauerte er, habe er beim Finanzamt abgegeben, um die Kfz-Steuer zu sparen. Einen Führerschein konnte der 62-Jährige auch nicht vorweisen. Und: Sein abgemeldeter VW-Geländewagen war nicht versichert. Aufgefallen war der Exminister der Polizei, als er ein Stoppschild überfuhr.

Liapis schwebt schon immer über den Dingen. Berufliche oder finanzielle Sorgen sind ihm genauso fremd wie die Niederungen der Tagespolitik. Der stets elegant gekleidete Jurist mit dem verträumten Blick entstammt der mächtigen Karamanlis-Politikerfamilie, die zwei Ministerpräsidenten hervorgebracht hat. Liapis wurde immer wieder als Parteichef der Konservativen und damit Regierungschef in spe gehandelt, er wollte sich jedoch nie auf Kuhhandel-Spielchen einlassen. Lieber widmet sich der Freigeist Grundsatzfragen des Lebens und verarbeitet diese literarisch: „Für ein neues Ethos“ hieß sein Werk, in dem er altgedienten Politikern die Leviten liest.

Umso überraschender wirkt nun die Spritztour mit gefälschten Nummernschildern. Liapis hat dafür eine plausible Erklärung: Wie alle Menschen in Griechenland sei auch er von der Krise betroffen, erklärte er den staunenden Verkehrspolizisten. Dass muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Selbst ein Politrentner, der 28 Immobilien in Griechenland besitzt, kann seine Kfz-Steuer krisenbedingt nicht mehr zahlen – so schlecht ist es um die Rente bestellt.

Für große Heiterkeit sorgt der Vorfall in den sozialen Medien. „Free Liapis“, fordert eine neu gegründete Twitter-Gruppe. „Eine politische Verschwörung – wer hat das verdammte Stoppschild bloß dahin gestellt?“, lästert ein User. Ein anderer empfiehlt, die Polizei solle in diesem Fall ausnahmsweise keinen Alkoholtest verlangen, sondern einen IQ-Test.

Bei aller Empörung über einen Politiker, der Wasser predigt und Wein trinkt, kann man der Geschichte auch Positives abgewinnen. Noch vor einigen Jahren wäre ein hoher Politiker in einer ähnlichen Situation davongekommen, während die Polizisten mit Konsequenzen zu rechnen gehabt hätten. Dass Liapis nun vor Gericht gestellt wird, zeigt, dass sich allmählich etwas ändert in Griechenland.

Ob auch der Exminister dies begriffen hat, ist allerdings fraglich. Den Gerichtstermin am Donnerstag ließ Liapis platzen und bat über seinen Anwalt um ein paar Tage Aufschub, die er auch bekam, bis alle Unterlagen vorlägen. Journalistenrecherchen haben ergeben, dass der Mann diese Tage des Aufschubs in der Tat nicht ungenutzt verstreichen ließ. Am Mittwoch ist er in den Weihnachtsurlaub nach Malaysia aufgebrochen.