wm gucken mit
: … Serben in Hamburg

Das serbische Kulturzentrum liegt in einem Hinterhof. An der Tür steht ein Schild: „Geschlossene Gesellschaft. Zugang nur für Mitglieder“. Es ist ein haltbares Schild. „Sie haben die Serben aus allen Clubs herausgejagt“, sagt ein schmaler Mann im weißen Hemd. Jetzt haben sie ihren eigenen. Und sehen zu, wie man sie aus der WM fegt.

„Ich dachte, wir verlieren 0:1“, sagt der Mann hinter der Theke. Neben ihm hängt eine Liste mit Gottesdienstzeiten und, ein Stück weiter weg, ein verblichener Zettel für den „Umzug aus Yugoslawien“, Trainingszeiten für den Fußballclub und ein Zeitungsfoto, auf dem drei Männer mit einem T-Shirt zu sehen sind: „Freedom for Slobo“ steht unter dem Foto des Ex-Präsidenten Slobodan Milošević.

Der Raum ist ziemlich düster, das einzig Bunte sind die blau-roten Kreppbänder, unter denen ein Dutzend Leute sitzt, die mit Haltung verfolgen, wie ihre Mannschaft untergeht. „Mlosche“, klatscht ein Mann, der das serbische Nationaltrikot trägt, als der Kapitän, Savo Milošević, Richtung Tor läuft. Aber der Kapitän muss den argentinischen Torwart nicht beunruhigen, genauso wenig wie irgendein anderer Spieler aus seiner Mannschaft. Das wissen auch die Leute im Kulturverein. Sie trinken Wasser und Bier und essen die Teigtaschen, die sie sich mitgebracht haben. Sie wirken ein wenig erschöpft, wie Leute, die tagsüber hart arbeiten. Sie hören zu, wie der Kommentator die argentinische Mannschaft lobt, wie er sich über die argentinischen Fans freut und wie er über den serbischen Trainer sagt: „Er sieht so aus, als habe er sich schon darauf eingerichtet, die WM aus touristischer Perspektive zu genießen.“ Vielleicht finden die Serben, dass der Kommentator seine Sympathien ungerecht verteilt.

An der Theke zumindest sitzt ein Junge mit langen Locken und bleichem Gesicht, der sagt, dass die Serben immer die Buhmänner seien. Er hat einen türkischen Vater und eine serbische Mutter, und er weiß alles über die serbische Geschichte. Während die Argentinier das vierte und fünfte Tor schießen, spricht er über die Balkankriege. „Wir haben überreagiert“, sagt er. Aber jetzt müsse Gerechtigkeit walten, und wieso dürfe sich Serbien nicht von Montenegro unabhängig machen? Der Junge ist in Deutschland geboren, spricht kaum Serbisch. Dafür kann der Mann daneben kaum Deutsch. „Milošević, der Fußballer“, sagt er, sei in Serbien ein Star. Und als man gegen Milošević protestierte, den Präsidenten, da habe der Kicker sich für die Opposition in einem T-Shirt mit geballter Faust fotografieren lassen. Jetzt wird er ausgewechselt. Argentinen schießt das sechste Tor. Friederike Gräff