Neubau von Reaktoren wieder gesetzlich erlaubt

ATOM Schwedens Parlament stimmt mit knapper Mehrheit für Ausstieg aus dem Ausstieg

Mehrheitseigentümer des vom Gesetz betroffenen AKW Oskarshamn ist Eon

STOCKHOLM taz | Mit zwei Stimmen Mehrheit hat das schwedische Parlament am späten Donnerstag für den Ausstieg aus dem Atomkraftausstieg gestimmt. Das nun verabschiedete Gesetz der konservativ-liberalen Regierung kippt nach 30 Jahren endgültig das Votum der Volksabstimmung von 1980. Danach sollten eigentlich bis 2010 alle schwedischen AKW abgeschaltet sein. Nun wurde stattdessen sogar die gesetzliche Grundlage für bislang ausdrücklich verbotene AKW-Neubauten geschaffen.

Der Energiewirtschaft werde damit der Weg für einen „Generationenwechsel“ bei der auch für die schwedische Energieversorgung unverzichtbaren Atomkraft eröffnet, begründeten VertreterInnen der Regierungsfraktionen ihr Ja-Votum. Nach dem Gesetz können an den vorhandenen drei AKW-Standorten neue Reaktoren errichtet werden, soweit diese alte ersetzen.

Konkrete Pläne der Energiekonzerne, diese Möglichkeit in absehbarer Zeit auszunutzen, sind nicht bekannt. Ein Ersatz eines alten mit einem neuen Reaktor könnte in erster Linie bei den 38 beziehungsweise 34 Jahre alten Reaktoren Oskarshamn 1 und Ringhals 1 interessant werden. Mehrheitseigentümer des AKW Oskarshamn ist der deutsche Energiekonzern Eon. Ingemar Engkvist von der schwedischen Eon-Tochter Eon Kärnkraft Sverige begrüßt den Parlamentsbeschluss: Da es auf Sicht nicht mehr lohne, in alte Reaktoren zu investieren, könne sich der Bau neuer AKWs rechnen. Doch Engkvist räumte auch ein, dass konkrete Bauprojekte „ganz von den wirtschaftlichen Voraussetzungen und der Entwicklung des Energiemarkts“ abhingen.

VertreterInnen der rot-rot-grünen Opposition sprachen von einem unverantwortlichen Schritt der Regierung, der den Umstieg Schwedens auf eine Erneuerbare-Energie-Versorgung erheblich erschweren werde. Obwohl auch in Schweden das Atommüllproblem noch ungelöst sei, fasse man leichtsinnig Beschlüsse, die Konsequenzen für 100.000 Jahre hätten. Gleichzeitig kündigte die Opposition an, das fragliche Gesetz – das 2011 in Kraft treten soll – für den Fall eines Siegs ihrer rot-rot-grünen Regierungsallianz bei den Parlamentswahlen am 19. September wieder aufzuheben.

Zusammen mit dem „Ausstieg vom Ausstieg“ wurde eine neue Schadensersatzordnung verabschiedet, die die Verantwortung der AKW-Betreiber für einen möglichen atomaren Unfall von bislang knapp 500 auf 1,2 Milliarden Euro erhöht. Ein lächerlicher Betrag, wie die Grünen-Vorsitzende Maria Wetterstrand unter Hinweis auf die unbegrenzte Haftung beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland kritisierte.

Am Donnerstagabend entließ ein Gericht in Uppsala 29 Greenpeace-AktivistInnen – darunter 13 deutsche – , die wegen Eindringens auf das Gelände des AKW Forsmark festgenommen worden waren. Statt zunächst angekündigter Haftstrafen drohen ihnen nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft für ihre Protestaktion vom Montag nur Geld- oder Bewährungsstrafen. Die Urteile sollen am 1. Juli verkündet werden. REINHARD WOLFF