Unfair geht vor

Am Rande des RoboCup diskutierten führende Informatiker über „Künstliche Intelligenz“. Vom Fußball-Wettbewerb und Ansätzen junger Robo-Tüftler zeigten sich die Koryphäen wenig begeistert

von Christian Jakob

Eigentlich sollte es eine harmonische Angelegenheit werden. Um „Praxisnähe und Interdisziplinarität“ zu demonstrieren, hatte das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) seine Jahrestagung um drei Monate vorverlegt – aufs vergangene Wochenende. Man suche die Nähe zum zeitgleich stattfindenden RoboCup, erläuterten die Organisatoren. Deshalb auch fand die Tagung in Bremen statt.

Vor allem, so darf man unterstellen, wollten die Menschmaschinen-Forscher auch etwas vom Medienrummel ab bekommen, der den Fußball-Robotern zuteil wurde. Deshalb wurde die fachwissenschaftliche Tagung durch ein populärwissenschaftliches Symposium mit dem Titel „50 Jahre Künstliche Intelligenz“ ergänzt – und die Wissenschaftsstadt 2005 kam zum Höhepunkt des Wissenschaftsjahres 2006, das im Zeichen der Informatik steht (siehe Kasten). Die Stars unter den Referenten: Marvin Minsky und Aaron Sloman, beide Pioniere bei Bemühungen, Maschinen das menschliche Denken beizubringen. Der 79-jährige Minsky, Mathematiker vom Massachusetts Institute of Technology, trifft wohl eine gewisse Mitschuld an dem Unbehagen das der Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) hervorruft: „Wenn wir Glück haben, werden uns die Roboter als Haustiere behalten“, soll er einmal gesagt haben.

Entsprechend fielen denn auch die Journalistenfragen auf der Pressekonferenz aus. Wie die Forscherzunft derlei Auswüchse zu verhindern gedenke, wollte man von den Wissenschaftlern wissen. Einige der Informatiker verwiesen auf „demokratische Wissenschaftskontrolle“ und „kritische Forschungsbegleitung“, Aaron Sloman von der Uni Birmingham antwortete hingegen pragmatisch: „Ich weiß nicht, was die Roboter uns eines Tages antun könnten. Ich weiß aber, dass es unmöglich schlimmer sein kann, als das, was die Menschen sich gegenseitig antun.“ Kriege, Sadismus, Vernichtungen: Damit sei bei Robotern nicht zu rechnen.

Dabei hatten die Organisatoren des Symposiums eigentlich geplant, die praktische Anwendbarkeit der KI-Forschung ins rechte Licht zu rücken. Von mitdenkenden Autos und intelligenten medizinischen Diagnosesystemen war in den offiziellen Kongressmaterialien die Rede und einige der deutschen KI-Forscher sprachen von der zunehmenden Menge an einfachen Arbeiten, die perspektivisch von Maschinen übernommen werden können.

Das Image-Programm für die Computerwissenschaften bediente sich dabei als Sympathieträger auch der vierfüßigen Spielzeug-Roboter, die in der Nachbarhalle gerade die Vorrundenspiele ihrer Fußball-WM austrugen. Darauf jedoch waren die KI-Koryphäen gar nicht gut zu sprechen. „Waste“, Verschwendung, nannte Minsky die auf den Robo-Fußballcup verwendete Energie. „Hunderttausende Studenten auf der ganzen Welt bauen die gleichen Roboter“, sagte Minsky und warf ihnen „Feigheit“ vor. Niemand sei mutig genug, neue Wege zu gehen, so Minsky. Das Bemühen, Robotern Fußball spielen beizubringen, um die gewonnenen Erkenntnisse dann für Katastrophenrettungen und ähnliches zu verwenden, beschränkt sich unnötigerweise selbst.

Was niemand – außer, wie Minsky behauptete, ihm und Sloman – zu erforschen wage, sei, den Robotern „gesunden Menschenverstand“ beizubringen. „Sie verstehen nichts von der Welt.“ Kein Computer könne auch nur eine einfache Geschichte verstehen, keiner im Gegensatz zu vierjährigen Kindern spontan Lösungen für neue Probleme finden. Erst mit diesen Fähigkeiten aber würden Maschinen wirklich hilfreich. Dafür aber werde weltweit zu fantasielos geforscht.

Ein Zuhörer wandte ein, dass die Neurowissenschaften diesem Problem verschrieben hätten. Minsky beeindruckte das nicht: „Die Neurowissenschaften mit ihrer Fixierung auf Synapsen und Dendriten funktionieren, als ob man ein Computerprogramm zu verstehen versucht, indem man die Siliziumchips mikroskopiert.“ Harsche Töne einer Koryphäe. Am Ende räumte Minsky ein: Er sei „ungern fair“. Warum? „Es ist so furchtbar langweilig.“