TRÄNEN ZUM FEST
: Weihnachtsblitzen

„Kopf hoch“, sagt der Betreuer zu mir

Schach macht Spaß und fördert das Denken – ein Pädagogenspiel par exellence. Da es an der Grundschule meines siebenjährigen Sohnes noch keine Schach AG gab, freuten sich alle, als ich in diesem Schuljahr eine gründete – mit Unterstützung des örtlichen Schachvereins, der auch weitere Schulen betreut.

Kurz vor Weihnachten bekamen wir eine Einladung zum Weihnachtsblitzturnier des Vereins. Ich bin nur ein Hobby-Schachspieler, und so war es für uns beide das erste Blitzturnier. Beim Blitzen wird eine ganze Partie in kürzester Zeit gespielt; meist sind es fünf Minuten. Es ist Stress pur, da man in Zeitnot schnell Fehler macht und jeder Fehler eine Partie entscheiden kann.

Nach vier Runden bin ich frustriert – gerade ein Unentschieden habe ich geschafft. In einer Pause gehe ich zu meinem Sohn. Über seine Wangen kullern Tränen – er hat schon zwei Mal verloren. „Ich verliere auch fast alles“, sage ich zu ihm und nehme ihn in den Arm; ein Betreuer reicht Schokolade und Brause. „Kopf hoch“, sagt er. Dann machen wir weiter.

An meinem Brett das gleiche Bild: Die Gegner spulen die Eröffnungen in kürzester Zeit runter: Italienisch, Skandinavisch, Sizilianisch, Caro-Kann – kein Durchkommen. Aber irgendwann schaffe ich den ersten Sieg. Nach 18 Partien werde ich am Ende Letzter. Bei meinem Sohn läuft es besser. Er hat zwei Mal gewonnen, die Stimmung ist gerettet. In der Endphase seines letzten Spieles schaue ich zu: Er steht auf Gewinn, Dame und König gegen König und Bauer. Er erobert den Bauern, treibt den gegnerischen König an den Rand, wie im Lehrbuch. Dann ein schwacher Zug, der König entkommt zunächst. Ein neuer Anlauf, es sieht gut aus – und er gewinnt, weil die Zeit des Gegners früher abgelaufen ist. Der dritte Sieg im siebten Spiel, er ist glücklich. Das Weihnachtsblitzen hat ein Schachfeuer entfacht. RICHARD ROTHER