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CHRISTIAN SEMLER ÜBER DIE PRÄSIDENTENWAHL IN POLENÜberraschender Schlüssel

Nach einem matten Klammer- Fight zwischen zwei Konservativen, dem liberalen Bronisław Komorowski und dem nationalistischen Jarosław Kaczyński gab es am Wahlabend in Polen nur eine faustdicke Überraschung – Grzegorz Napieralski, Kandidat der sozialdemokratischen SLD, erhielt 13,74 Prozent der Stimmen und damit eine Schlüsselrolle im notwendig gewordenen zweiten Wahlgang.

Der SLD schien nach den letzten Wahlen dauerhaft geschwächt. Den Sozialdemokraten hingen die Skandale während ihrer Regierungszeit ebenso nach wie ihre ultraliberale Wirtschaftspolitik. Sławomir Sierakowski, einer der wichtigen Theoretiker der Linken, gab vor dem ersten Wahlgang keine Empfehlung für den SLD ab. Er werde ungültig stimmen.

Offensichtlich hat aber ein beträchtlicher Teil der Wähler Napieralskis Anstrengungen honoriert, soziale Themen wie den Ruin des Gesundheitssystems oder das Desaster bei der Rentenversicherung in kontroverser Manier zu thematisieren. Die Kaczyński-Brüder waren stets bemüht gewesen, als Verteidiger sozialer Rechte zu posieren. Wie das Ergebnis für Napieralski zeigt, hat die „soziale Karte“ zugunsten Jarosław Kaczyńskis bei dem eher links gestimmten Spektrum der Wählerschaft nicht gezogen.

Natürlich wird jetzt ein Wettrennen um die Gunst der sozialdemokratischen Klientel einsetzen. Soziale Themen werden, obwohl nicht zur Kompetenz des Präsidenten gehörig, den zweiten Wahlgang mitprägen. Für Komorowski wird entscheidend sein, ob er von Teilen des SLD-Wähler als „kleines Übel“ akzeptiert werden wird oder ob diese lieber protestierend zu Hause bleiben. Oder am Ostseestrand zu liegen statt zu wählen. Dies ist die letzte Chance für Kaczyński.

Ausland SEITE 8

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