Roland Koch an der Nordsee

ÜBERRASCHUNG Bremerhavens Oberbürgermeister Jörg Schulz schmeißt zum Jahresende hin, weil man aufhören soll, wenn es am schönsten ist

Jörg Schulz galt vielen als zu selbstherrlich. Jetzt geht er, mit „solidarischen Grüßen“ an die Genossen.

Bremerhavens Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) hat gestern im Kreis der SPD-Stadtverordnetenfraktion seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt.

Man solle „aufhören, wenn es am schönsten ist“, schrieb Schulz an die „lieben Genossinnen und Genossen“ in einem Brief, der einer E-Mail angefügt war. Für ihn sei es „jetzt am schönsten“, weshalb er heute im Magistrat der Stadt seine Beurlaubung zum 31. Dezember 2010 beantragen werde. Das habe er so mit dem Fraktionsvorsitzenden Klaus Rosche und dem Unterbezirksvorsitzenden Siegfried Breuer verabredet. Es sei mit ihm „sicher nicht immer einfach“ gewesen, aber die Aufgabe sei auch nicht einfach gewesen, schreibt Schulz. Partei und Fraktion hätten nun die Gelegenheit, die Nachfolge vor der Wahl 2011 zu regeln.

Schulz war noch im Februar als möglicher Nachfolger für den zurückgetretenen Wirtschaftssenator Ralf Nagel (SPD) ins Gespräch gebracht worden. In seinem Amt als Bremerhavener Oberbürgermeister, das der 57-Jährige seit 1999 innehat, galt er vielen seit längerem als zu selbstherrlich. 2009 war er wegen der Mehrkosten der Bremerhavener Stadtentwicklungsoffensive „Havenwelten“ in die Kritik geraten. Das Tourismus-Großprojekt hatte 295 statt geplanter 263 Millionen Euro gekostet. Erst das Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft konnte Schulz entlasten – die Kosten seien „unvermeidbar“ gewesen.

Aus der SPD-Fraktion war gestern nur deren stellvertretende Vorsitzende Martina Kirschstein-Klingner zu sprechen. Sie sei von der Rücktrittsankündigung „eigentlich nicht überrascht“, sagte sie. Schulz habe ja auch bereits bekannt gegeben, nicht erneut für den Posten kandidieren zu wollen, und dann sei zuletzt viel über seine Zukunft gemunkelt worden. „Wir müssen das so hinnehmen“, sagte Kirschstein-Klingner, in der nächsten Sitzung des Unterbezirks werde man darüber reden, wie es nun weitergehen solle. Auch über mögliche Nachfolger werde man erst dort debattieren.

Die Bremerhavener Piratenpartei reagierte gestern als Erste auf Schulz’ Rücktritt zum Jahresende. „In der ‚Tradition‘ von Roland Koch und Horst Köhler entzieht sich der Oberbürgermeister seiner Verantwortung und einer Beurteilung seiner Arbeit durch die Wähler bei der Wahl zur nächsten Stadtverordnetenversammlung“, sagte der Vorsitzende des Kreisverbandes Bremerhaven der Piratenpartei, Mario Tants. Offenbar gehe es darum, die Interessen der eigenen Partei vor die Interessen der Bürgerinnen und Bürger Bremerhavens zu stellen. Tants fordert „eine offene und transparente Nachfolgeregelung unter möglichst breiter Beteiligung der Bürger abseits von Proporz, Hinterzimmerkungeleien und Postenschacherei“. Schulz selbst äußerte sich gestern nicht. FEZ/THA