Ein Symbol für das jüdische Leben

Gestern erfolgte der Spatenstich der neuen Synagoge in Bochum. Breite Unterstützung der Bevölkerung

Die Grundsteinlegung fand bereits am 9. November des vergangenen Jahres statt. Der 67. Jahrestag der Zerstörung der alten Synagoge sollte zum Symbol des Wiederaufbaus des neuen Gottes- und Gemeindehauses der Jüdischen Gemeinde Bochum werden. Gestern nun vollzog Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) den offiziellen Spatenstich. Das Gebäude entsteht in der Nachbarschaft des Zeiss-Planetariums. Im Dezember soll der Rohbau stehen.

440 Personen finden im Gebetsraum der neuen Synagoge Platz – mehr als dreimal so viel, wie im alten, provisorischen Gemeindezentrum. Der Kölner Architekt Peter Schmitz hatte den Auftrag für das Gotteshaus bekommen. Man wolle keinen „austauschbaren Zweckbau“. Ein großer, dreigliedriger Bau in Würfelform soll entstehen, ohne die für alte Synagogen typische Kuppel. Und ein Café, das für alle Menschen zugänglich sein soll.

Der Neubau ist eine Folge des stetigen Wachsens der Gemeinde. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Jüdische Gemeinde Bochum 55 Mitglieder. Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 waren es 1.200, im Oktober 1938, einen Monat vor der Reichpogromnacht immer noch 644 Mitglieder. Der überwiegende Teil fiel der industriellen Massenvernichtung in den Lagern von Auschwitz und anderswo zum Opfer.

Die Renaissance des jüdischen Lebens in Bochum begann Anfang der 90er Jahre. Durch den Zuzug jüdisch gläubiger Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion verzehnfachte sich die Zahl der Gemeindemitglieder bis heute auf mehr als 1.200.

„Wir haben Vertrauen in die Bevölkerung“, sagte Grigory Rabinovich, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen, als die Pläne zum Neubau reiften. Politik, Kirchen und Bürger unterstützten das Projekt. Der „Freundeskreis Bochumer Synagoge“ hat mittlerweile 520 Mitglieder. Für den etwa sieben Millionen Euro teuren Neubau ist eine siebenstellige Spendensumme eingegangen. Gerd Liedtke vom Freundeskreis hofft in Folge des Baubeginns mit einem neuen Schub.

„Die Neubauten sind vor allem eine gesellschaftspolitische Entscheidung“, sagt Hubert Schneider, emeritierter Historiker der Ruhruniversität Bochum Gründer des Vereins „Erinnern für die Zukunft“. Sie seien eher ein „Produkt der Mehrheitsgesellschaft“, als der Jüdischen Gemeinden selber.

Und die Mehrheitsgesellschaft funktioniert auch in Bochum. Als im Jahre 2004 die rechtsextreme NPD und Mitglieder der neonazistischen „Freien Kameradschaften“ gegen den Synagogenbau hetzten, stellten sich mehrere tausend Bürger den Rechten entgegen. Und auch die Justiz wurde tätig. So wurde der Vize-Chef der NRW-NPD, Claus Cremer, wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Cremers Kamerad Axel Reitz, der selbst ernannte „Hitler von Köln“, muss wegen antisemitischer Hetze 22 Monate ins Gefängnis.

„Die neue Synagoge, die an der Castroper Straße in Höhe des Planetariums entstehen soll, wird ein sichtbares Symbol für jüdisches Leben in Bochum sein“, heißt es in der Bochumer Erklärung. Seit gestern wird das Symbol Tag für Tag sichtbarer.

HOLGER PAULER