Statt Nationalkultur

Ein Kongress im Haus der Wissenschaft befasst sich mit den Herausforderungen der „Multiliteralität“

„Multiliteralität und der europäische Bildungsauftrag“ ist das Thema einer Tagung, die von der Bremer Uni und der IUB in diesen Tagen ausgerichtet wird. Hinter dem sperrigen Wort verbirgt sich ein schlichtes Problem: Die Vielfalt der Kulturen sollte im modernen Europa eine Chance sein, sie wird aber als Problem und Belastung empfunden.

Und sie ist auch de facto eine Belastung. Wer nicht richtig Deutsch spricht in der Grundschule, lernt auch nicht richtig Englisch, sagt etwa Daniela Elsner, Mitarbeiterin des Fremdsprachendidaktikers Gerhard Bach von der Bremer Uni. Ein Problem, das sich immer wieder neu stelle, wie Bildungssenator Willi Lemke (SPD) anmerkt. 42 Prozent der türkischen jungen Männer, die hier aufwachsen, suchten sich anschließend wieder Ehefrauen ohne Deutschkenntnisse aus ihrem Heimatland. Ideal, sagt Elsner, wäre es, wenn türkische GrundschullehrerInnen diesen Kindern Englisch beibringen würden. Oder wenn Lehramts-StudentInnen zumindest ein Jahr in der Türkei studierten, um eine Vorstellung von der Kultur zu bekommen, mit der sie es dann in der Schule zu tun hätten.

Immerhin gebe es nun Englisch ab der 3. Klasse, lobte Lemke die Erfolge seiner Politik. Zu spät, wendete Klaus Boehnke von der International University Bremen (IUB) ein: „Im Kindergarten“ solle das Sprachenlernen beginnen, „spätestens in der ersten Klasse“. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hinke Bremen hinterher, sagte Gerhard Bach. So gebe es etwa für die Erstklässler in Baden-Württemberg – vorbildlich – einen „Begegnungssprachen-Unterricht“. Die erste Fremdsprache werde dort nicht als klassisches Lernfach begonnen. Vielmehr lernten die Kinder zunächst einmal die kulturellen Begegnungschancen fremder Sprachen in ihrer Umgebung schätzen. Das wäre hierzulande wohl eher Türkisch als Englisch – eben der Einstieg zur „Multiliteralität“.

Wer mehrere Sprachen könne, sei weltoffener, so Boehnke. Jugendliche auf bilingualen Bildungswegen seien ihren AltersgenossInnen in der fraglichen Sprache um zwei Jahre voraus, hat eine Studie ergeben. Wenigstens da konnte Lemke zufrieden auf die große Zahl bilingualer Bildungsgänge verweisen. kawe