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Eine Show. Amen.

Wer ist die Königin? Sie, sie, sie! ProSieben zeigt eine gekürzte Fassung der lustigen Madonna-Doku „I’m going to tell you a secret“ (22.00 Uhr)

Von Marco Stahlhut

Heute Abend läuft die Madonna-Doku „I’m going to tell you a secret“ – und das heißt eigentlich: zu spät. Das letzte Mal, dass man sich näher für Madonna als Künstlerin interessierte, war vor bald sechs Jahren, nach der Veröffentlichung ihres Albums „Music“. Und heute Abend kommt die Doku zu spät, weil sie im Anschluss an „Swept Away“ (20.15 Uhr) läuft, einen komplett misslungenen Spielfilmversuch mit der Sängerin in der Hauptrolle unter der Regie ihres Ehemanns Guy Ritchie.

Andererseits ist Madonna eben Madonna, eine brillante Performerin und die einzige wirkliche Popikone. Und „I’m going to tell you a secret“ von Video-Über-Regisseur Jonas Åkerlund – er drehte u. a. Madonnas „Ray of Light“ – ist hübsch gelungen, auch wenn ProSieben als Deutschlandpremiere nur eine auf unter 60 Minuten geschrumpfte Version zeigt.

Geheimnisse werden natürlich nicht enthüllt, schon gar nicht geheime Wahrheiten über den Menschen Madonna, aber dafür entfaltet sich ein charmantes Verweisungsspiel um den Mythos Madonna, zu dessen immer größerer Ausschmückung der Film gleichzeitig dient. Das Ganze ist lose um ihre „Re-Invention“-Tour von 2004 herumgestrickt. Der Film beginnt mit der Auswahl der Tänzer für diese Tour und verweist so auch auf den Karriereanfang Madonnas als Tänzerin.

Im Gebet mit Madonna

Im weiteren Verlauf drängen sich Parallelen zu dem superberühmten „In Bed with Madonna“ von 1990 auf, dem Film zu ihrer nicht minder berühmten „Blond Ambition“-Tour aus demselben Jahr. Im alten wie im neuen Film wird Schwarzweiß zum Unterstreichen der häufig zweifellos nicht vorhandenen Authentizität der Dokumentaraufnahmen benutzt, wohingegen die Konzertausschnitte in Farbe erstrahlen. Und in beiden Fällen hält Madonna vor den Auftritten gebetsähnliche Ansprachen an ihre Tänzer und die sonstige Crew: „Let’s have a great show. Amen!“

Die Kabbalah-Kehre

Man sollte denken, die Anrufung Gottes für das Gelingen eines Popkonzerts würde in jeder ordentlichen Religionsgemeinschaft als Blasphemie gelten. Aber schon kommen wir zu der in der Fachwelt als „Kabbalah-Kehre“ bekannten Hinwendung der Sängerin zu einer vage jüdischen Sekte. Der Titel des Films wird so erläutert: „Es gibt etwas Wichtigeres als Ruhm und Reichtum, etwas Tieferes, Bedeutsameres. Ich werde dir ein Geheimnis erzählen.“ Am Ende des Films wird „The End“ durchgestrichen und durch „The Beginning“ ersetzt. Merke: Jedes Ende ist ein neuer Anfang etcetera.

Die esoterische Kabbalah-Madonna ist das eine, die Superdiva Madonna das andere. Sie selbst erzählt dazu einen Witz: „Was ist der Unterschied zwischen einem Popstar und einem Terroristen? – Mit einem Terroristen kann man verhandeln.“ Während der Tour trainiert die Sängerin ihre ganze Umgebung dazu, sie als „Königin“ zu titulieren. „Rocco“, fragt sie ihren fünfjährigen Sohn in der Suite eines Pariser Luxushotels, „wer ist die Königin?“ „Du, du, du“ antwortet der Kleine, was mit einem „Sehr gut“ belohnt wird. Kurz erwartet der Zuschauer ein Frolic für den Jungen.

Aber was soll man sagen: Madonnas überdimensionales Ego war schon immer Teil ihrer Anziehungskraft. Und überhaupt sind die Kinderszenen mit das Beste. In einer möchte Tochter Lourdes die tiefere Aussage von Madonnas Buch „English Roses“ erklären, während ihr Bruder ständig: „What the hell are you talking about“ dazwischenschreit. Da kann sich der Zuschauer der Vorstellung nicht ganz entziehen, zumindest einen indirekten Einblick in die Ehe der Ritchies erhalten zu haben.

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