CDU und FDP wollen das, was sie singen

Verkrampft debattiert der Landtag über „unverkrampften Patriotismus“: Christdemokraten und Liberale auf der Jagd nach „verirrten Gewerkschaftsfunktionären“, die nicht nur die Nationalhymne, sondern die Fußball-WM mies machen

DÜSSELDORF taz ■ Beim „Deutschlandlied“ kennt Christian Lindner kein Pardon. „Verirrte Gewerkschaftsfunktionäre“ wollten die Nationalhymne „mies machen“ – und die Fußballweltmeisterschaft gleich mit, zürnte der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen FDP gestern im Landtag. Aufs Pathos verlegte sich auch Nordrhein-Westfalens Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Michael Breuer. „Wir stehen zu unserem Land, zu unserer Geschichte und zu unserer Hymne“, versicherte der Christdemokrat: „Wir singen das, was wir wollen. Und wir wollen das, was wir singen: Einigkeit für das deutsche Vaterland. Und Recht und Freiheit.“

Zu dem Schmalz verleitet hat Christdemokraten und Liberale die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Deren hessischer Landesverband hatte eine ursprünglich aus dem Jahr 1990 stammende Broschüre wieder aufgelegt, deren Thema die problematische Rezeptionsgeschichte des „Deutschlandlieds“ ist. Die 1841 von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben verfasste Hymne sei auch „Zeichen großdeutscher und imperialistischer Bestrebungen“, so die Position der Lehrergewerkschaft – die Nationalsozialisten hatten die erste Strophe des „Deutschlandlieds“ immer in Kombination mit dem so genannten „Horst-Wessel-Lied“ singen lassen, das die Schlägertrupps der SA verherrlichte.

Ulrich Thöne, Bundesvorsitzender der GEW, hat sich mittlerweile allerdings von der Broschüre distanziert, zu der er ein aktualisiertes Vorwort geschrieben hatte. Keinesfalls wolle die GEW „den Fans die Fußball-WM vermiesen“, keinesfalls spreche sich die Gewerkschaft für „ein Verbot oder die Abschaffung der Nationalhymne aus“.

Auf ein Bekenntnis zum „unverkrampften Patriotismus“ (Lindner) wollten die Regierungsfraktionen von CDU und FDP dennoch nicht verzichten. Landesschulministerin Barbara Sommer (CDU) hatte bereits im Vorfeld angekündigt, die Broschüre aus Hessen verbieten zu wollen – dabei hatte die GEW nicht vor, die Schrift in Nordrhein-Westfalen an Lehrer oder gar an Schüler zu verteilen.

„Inszeniert“ sei die „aufgeregte Debatte um Patriotismus und Nationalismus“, findet deshalb nicht nur der GEW-Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber. Schulministerin Sommer kämpfe gegen „ein Phantom“, kritisierte die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Die FDP unterstütze den Patriotismus nur im Fußballstadion, ärgerte sich der Sozialdemokrat Karsten Rudolph. „Ihr Credo einer Gesellschaft, in der jeder an sich denkt und so an jeden gedacht ist, hat mit einer solidarischen Gemeinschaft nichts zu tun“, so der Historiker in Richtung des Liberalen Lindner. Überhaupt sei die ganze Debatte um den „unverkrampften Patriotismus“ die „verkrampfteste Veranstaltung der ganzen WM“, meinte der SPD-Abgeordnete Wolfram Kuschke.

So aber wollten Christdemokraten und Liberale die Debatte nicht versanden lassen. Für die Landesregierung versuchte sich noch einmal CDU-Integrationsminister Armin Laschet in Sinnstiftung, produzierte stattdessen unfreiwillige Komik. „Junge Türken sagen, wird sind Deutschland“, rief Laschet aufgeregt – und hielt zur Bestätigung ausgerechnet die konservativ-nationalistische Zeitung Hürriyet hoch. Der Integrationsminister denkt in Klischees, kennt keine türkischstämmigen Akademiker: „Türken stecken in ihren Dönerbuden die Deutschlandfahne an“, warb Laschet für Integration durch Emotionen, nicht durch Logik. „Die würden sich in ihrer Dönerbude kein Grundgesetz hinstellen.“ ANDREAS WYPUTTA