Christian Wulff im Sommer der Liebe

Ohne den Namen des frisch vergebenen Ministerpräsidenten zu nennen, machen die Grünen darauf aufmerksam, dass der Lebenswandel des CDU-Parteivizes mit dem Menschenbild seiner selbst ernannt bürgerlichen Partei kollidiert

Gerhard Schröder hätte unwirsch in Mappen geblättert und so getan, als ginge ihn das ganze Gedöns nichts an. Anders einer seiner Nachfolger: Aufmerksam verfolgte Niedersachsens Landesvater Christian Wulff (CDU) gestern in der Aktuellen Stunde im Landtag eine Rede des grünen Fraktionschefs Stefan Wenzel. Deren schöner Titel: „Werte im Wandel“. So aufmerksam, dass ihm ministerpräsidentielle Röte ins Gesicht schoss. Dabei erwähnte Wenzel den Namen des CDU-Parteivizes nicht: Privates gehört nicht in die Politik, schon gar nicht ins hohe Haus.

Dennoch war allen im Saal klar, dass es um die zerbrochene Ehe des Umfrage-Königs ging. Darum, dass der „MP“ gerade erfährt, dass seine Realität mit dem Menschenbild seiner CDU kollidiert. Und um die Heuchelei, mit der der einstige Schwiegermutter-Schwarm derzeit die Welt darum ersucht, sein Privatleben in Ruhe zu lassen, während er noch vor Wochen mit dem Gerede von seinem intakten Familienleben auf Stimmenfang gegangen war. „Wer um Zurückhaltung fleht“, so Wenzel, „darf nicht per Handy zum Fototermin bitten.“ So waren Reporter in der vergangenen Woche zum ersten gemeinsamen Auftritt von Wulff und Lebensgefährtin gelotst worden.

Manche beschrieben diese fußballverrückten WM-Wochen schon als „Sommer der Liebe“, sagte Wenzel. Und das „in Niedersachsen, 39 Jahre nach Woodstock!“ „Selbstentfaltung, Freiheit, Toleranz“ seien zum „Schlüssel für das Funktionieren unserer Gesellschaft geworden“. Es sei „um so kurioser, dass das selbst ernannte bürgerliche Lager in unserem Land immer noch einen Wertekanon hochhält, der in vielen Teilen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt“.

„Unglaubwürdig“ nannte Wenzel es, „sich gegen die Homo-Ehe auszusprechen, wenn in den eigenen Reihen längst bekennende Homosexuelle an exponierter Stelle Politik machen“. Widersprüchlich sei es auch, „die Ehe als Wert an sich zu betrachten, sich aber selbst den Fährnissen des Lebens wie Partnerwechsel und Scheidung nicht entziehen zu können“. Diese „Geisteshaltung“ der Partei blockiere „die Anpassung der Sozial- und Familienpolitik an die realen Verhältnisse“. Letztlich würden Wulff & Co. nun „Opfer“ ihrer Politik, „weil es auf Sie zurückfällt, wenn bigotte Konservative von Werten schwadronieren, die sie selbst nicht leben.“

Wenzels Beitrag blieb – auch aus den Reihen der CDU – unkommentiert. Dafür sprach der MP exklusiv im Polit-Fachblatt Bunte: Bei einem christlichen Festival zum Thema Ehe und Treue habe ihn „positiv beeindruckt, wie die jungen Leute mich aufgenommen haben“. Sie hätten sogar gebetet, „mit mir und für mich“. KAI SCHÖNEBERG