Aufm Platz im Kino

3-D Dreidimensionale Fußballübertragungen sind blöderweise dann am besten, wenn der Ball ruht

Als Bastian Schweinsteiger zum Freistoß antritt, stehe ich direkt hinter ihm. Wie er habe ich das Spielfeld vor mir, kann sehen, wie sich Mesut Özil und Cacau freilaufen, und kann überlegen, wo ich den Ball hinspielen würde. Dann nimmt er Anlauf – und ich werde wieder zum normalen Fernsehzuschauer, der das Feld im seitlichen Überblick hat. Allerdings mit einer komischen Brille auf dem Kopf.

Ich sitze im UCI-Multiplex in Berlin-Neukölln, einem der wenigen Kinos, die einzelne Spiele der WM dreidimensional übertragen. Der Unterhaltungskonzern Sony hat dafür in Johannesburg und vier anderen Stadien sieben HD-Kameras aufgestellt, die 3-D-Bilder nach Berlin senden. Die ersten Aufnahmen aus den Zuschauerrängen sind beeindruckend. Eine Fahne weht mir ins Gesicht, ich habe wirklich das Gefühl, mittendrin zu sitzen – auch wenn die Menschen stets ein bisschen wie Spielzeugfiguren anmuten.

Doch nach einiger Zeit ist klar: So richtig „Avatar“-mäßig wird das hier nicht. Bei ruhenden Bällen und Zeitlupen kommt der Effekt voll zur Geltung – Perspektiven aus der Torkamera oder aus der Position direkt neben den Spielern sind spektakulär. Doch im Spielfluss will ich ja nicht nur das Gefühl haben, den Ball gemeinsam mit Thomas Müller vor mich hinzutreiben, sondern auch sehen, wo er hinspielen könnte. Da kommt der Schwenk auf die Totale oft zu spät. Und die unterscheidet sich nicht sonderlich vom gewohnten Bild. Außerdem sind die Schnitte oft abrupt, das Bild unscharf.

Fußball scheint zu schnell für die 3-D-Technik, vielleicht müssen sich die Regisseure auf die Besonderheiten des Spiels noch einstellen. Doch der Eindruck bleibt, dass dreidimensionale Übertragungen unsere Wahrnehmung von TV-Fußball völlig verändern könnten. Wenn nur nicht diese albernen Brillen wären. CONSTANTIN WISSMANN