Buchhändler Eckart Cordes
: Träumen von Günter Grass

Eckart Cordes hat für jeden eine Geschichte. Das fällt dem Kieler Buchhändler auch nicht schwer, hat er doch in den letzten 45 Jahren rund 400 Autoren zu Gast gehabt: Hildesheimer, Bachmann, Enzensberger, Celan, Grass und Irving haben bei ihm gelesen – und das in einer Ära, als Lesereisen noch selten waren.

Der Verleger Ernst Rowohlt hatte Cordes geraten, den Verkauf durch Autorenlesungen zu beleben. Cordes, begeisterungsfähig seit den Märchenstunden im mütterlichen Buchladen, reagierte schnell. Uwe Johnson, „den damals niemand haben wollte, weil er als kontaktarm galt“, war 1961 der erste Gast. „Der Abend war ein Erfolg – aber wir haben kein einziges Buch verkauft.“

Entmutigen ließ Cordes sich dadurch nicht. Günter Grass hat er später geladen – einer von vielen, die mit ihren Erstlingswerken zu Cordes kamen, der ein fast telepathisches Gespür für werdende Talente hatte. Wie sonst ließe sich erklären, dass er Grass‘ Literatur-Nobelpreis im wahrsten Sinne vorausträumte?

Cordes freut sich immer wieder an Gründerzeit-Geschichten wie der vom Schauspieler Richard Nagy, der in den Fünfzigern aus Henry Millers „Wendekreis des Krebses“ lesen sollte. Über 21 mussten die Zuhörer sein und glaubhaft versichern, dass sich sich vom Inhalt nicht irritieren lassen würden. Auch waren sie gehalten, das nicht jugendfreie Buch verschlossen oder in der zweiten Reihe ihrer Bücherwand aufzustellen. Und dann? „Hat Nagy, weil er nicht mit diesem Schweinkram anfangen wollte, erstmal eine Dreiviertelstunde aus Millers Essay ,Von der Unmoral der Moral‘ rezitiert“, schmunzelt Cordes. „Und wussten Sie, dass ich in den 60ern alle großen polnischen Autoren zu Gast hatte? Laxness hat die einzige Lesung seines Lebens bei uns in Kiel gehalten!“ Atemlos findet der 73-Jährige immer neue Geschichten, die er gelegentlich auch öffentlich erzählt.

Zwar hat er den Buchladen vor ein paar Jahren verkauft. Als einer, der durch höfliche Penetranz selbst schwierige Autoren wie Celan nach Kiel holte, wird er für die dortige literarische Landschaft aber unersetzbar bleiben. Am Sonntag bekommt Cordes den Kieler Kulturpreis. PS