Engagement wird Schülern schwer gemacht

Beim „Sozialen Tag“ arbeiteten gestern engagierte Schüler und spendeten ihren Lohn für Sozialprojekte auf dem Balkan. Zuvor lernten sie jedoch die Härte des Berliner Arbeitsmarktes kennen. Jobangebote gab es nur wenige

Tabea Schalk nimmt den Hörer ab: „Praxis Frau Doktor Hesse, Schalk, guten Tag“, sagt die 15-Jährige Schülerin. Sie macht ihren Job gut, wenn auch nur für wenige Stunden. Tabea Schalk leistete dort nur gestern Telefondienst – im Rahmen des „Sozialen Tages“.

Die Idee dahinter ist einfach: Schüler gehen einen Tag lang arbeiten. Ihren Lohn spenden sie dann an soziale Projekte. Tabea bekam gestern 35 Euro, sie fließen an Jugendeinrichtungen auf dem Balkan.

Der „Soziale Tag“ soll ein Zeichen gegen den oft geäußerten Vorwurf setzen, sie seien eine „Null-Bock-Generation“, erklärt Laura Sprenger. Die 19-Jährige macht gerade ein freiwilliges soziales Jahr bei „Schüler Helfen Leben“. Dieser Schülerverein hatte den Sozialen Tag 1998 erstmals in Schleswig-Holstein initiiert, in diesem Jahr wird er erstmals bundesweit angeboten.

Berlin nimmt seit 2004 teil. 24 Schulen der Stadt haben sich diesmal beteiligt, mit rund 2.200 Schülern. Das Engagement der Arbeitgeber aber hielt sich in Grenzen. „Die kennen uns noch nicht so gut“, erklärt Sprenger. Gerade in Berlin sei es schwierig, Betriebe für die Aktion zu interessieren, weil die Stadt mit Sozialkampagnen überlaufen sei.

Holger Lunau, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK), nennt noch einen weiteren Grund: „Bei allem guten Willen, die Schüler sind schwer zu beschäftigen und bedeuten einen zu hohen bürokratischen Aufwand.“ Schon bei Schülerpraktika, die über einen längeren Zeitraum liefen, sei es schwer, die Jugendlichen einzusetzen, da sie auch eine intensive Betreuung beanspruchten, so Lunau.

Die Deutsche Bahn, Sponsor des Schülersozialtages, stellt normalerweise mehrere Arbeitsplätze zur Verfügung. „Dieses Jahr sind wir wegen der WM stark gebunden“, bedauert der Sprecher für Berlin und Brandenburg, Burkhard Ahlert. Deswegen könne die Bahn in Berlin nur eine Stelle im Bahntower anbieten. Die Bahn müsse sich auf den Verkehr konzentrieren, es fehle die Zeit, um Schüler auf den Bahnhöfen einzuweisen.

So lernte der Zehntklässler Oliver Gerdaus bei seiner Jobsuche vor allem die harte Realität des Berliner Arbeitsmarktes kennen. Er habe sich zum Beispiel bei Kaufland und Intersport um eine Arbeit bemüht, jedoch ohne Erfolg, erzählt der Schüler aus Marzahn. Ein Jobangebot bekam er schließlich aus Neumünster in Schleswig-Holstein. Dort hat die Europaabgeordnete Angelika Beer (Grüne) ein Büro. Die Politikerin unterstützt den „Sozialen Tag“ schon seit seinen Anfängen. „Mich begeistert, dass junge Leute sich für andere engagieren und sich mit Fragen des Kriegs und ethnischer Konflikte beschäftigen“, sagt Beer. Langfristig sei es wünschenswert, den „Sozialen Tag“ europaweit zu etablieren, so Beer.

In Berlin dürfte die engagierte Tagelöhnerei schwierig bleiben. Auch Tabea Schalk hat ihren Job nur bekommen, weil ihre Mutter einst in der Arztpraxis arbeitete. Andere mussten auf den Einblick ins Berufsleben verzichten. Eine Freundin habe für ihre Mutter in der Küche so richtig sauber gemacht, erzählt Tabea.

NADJA DUMOUCHEL