„Auto 5.000“ macht etwas glücklicher

Studie: Das VW-Tarifmodell „5.000 mal 5.000“ hat Vorbildcharakter, da es „effektiver und innovativer“ ist

WOLFSBURG taz ■ Wissenschaftler bestätigen dem Volkswagen-Tarifmodell „5.000 mal 5.000“ Vorbildcharakter für andere Unternehmen. „Die Produktion ist bei extrem hoher Qualität effektiver und innovativer“, sagte gestern Professor Michael Schumann, der eine Studie des Soziologischen Forschungsinstituts (Sofi) der Universität Göttingen leitete.

Neben zahlreichen Befragungen von Arbeitern, Betriebsräten und Managern werteten die Wissenschaftler seit 2001 Daten von Volkswagen aus und analysierten die nach einer neuen Organisation erstellten Arbeitsplätze.

Das Projekt geht auf eine Idee des früheren VW-Arbeitsvorstands Peter Hartz zurück. Für je 2.650 Euro (5.000 DM) Lohn sollten damals 5.000 neue Arbeitsplätze für Arbeitslose geschaffen werden. 2001 wurde zwischen der IG Metall und VW ein Tarifvertrag auf dem Niveau des niedersächsischen Metall-Flächentarifvertrags vereinbart und die „Auto 5.000 GmbH“ gegründet. Zudem einigten sich die Beteiligten auf hochflexible Arbeitszeiten und auf eine erfolgsorientierte Bezahlung.

Die Beschäftigten verdienen insgesamt rund 20 Prozent unter dem VW-Haustarif. Anders als ursprünglich geplant arbeiten bei der VW-Tochter allerdings nur 3.800 Mitarbeiter. Sie fertigen den Volkswagen Touran nicht in der bei VW üblichen 28,8-Stunden-, sondern in einer 35-Stunden-Woche.

„Die Einsparung bei den Löhnen ist aber nur ein Faktor, der in der öffentlichen Diskussion zu sehr in den Vordergrund gerückt ist“, sagte Schumann. „Das Projekt lebt vor allem von der freigesetzten Kreativität der Mitarbeiter.“ In der neuen Fabrikstruktur gebe es eine geringere Hierarchie und eine Entspezialisierung. Beides habe zu einer hohen Selbstständigkeit und einer starken Mitwirkung aller an Optimierungszielen beigetragen. Die Beschäftigten werden zudem regelmäßig in „Lernfabriken“ geschult, wobei die Qualifizierungszeit nur zum Teil als Arbeitszeit vergütet wird.

Die Auto 5.000 GmbH arbeitet sehr profitabel, zahlte für 2004 im Durchschnitt jedem Beschäftigten 1.000 Euro Bonus. Für 2005 waren es schon 1.200 Euro. Die GmbH soll ab kommenden Jahr ein zweites Modell, einen kleinen Geländewagen auf Golf-Basis, fertigen. „Die selbstbewusste Mannschaft will nun auch Anerkennung für ihre Leistung“, sagte Schumann. Das spiegele sich in den Warnstreiks in den derzeit laufenden Tarifverhandlungen wider. Die Beschäftigten fordern Einkommenserhöhungen von fünf Prozent. VW bot zuletzt drei Prozent mehr für 21 Monate.

Dem VW-Vorstand dient der Erfolg von Auto 5.000 auch als Argument gegen den in den sechs westdeutschen Werken geltenden VW-Haustarif. Der IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine konstatierte gestern zwar auch, dass mit dem Auto-5.000-Modell die Integration von Arbeitslosen „zweifellos geklappt“ habe. Längst sei aus dem „Experimentierprojekt ein Normalbetrieb“ geworden. Auto 5.000 sei deswegen auch ein Gegenmodell zu neoliberalen Konzepten der Deregulierung und des Billiglohns. Zudem sei eine innovative Arbeitsorganisation auch der Schlüssel, um die Industrieproduktion in Deutschland zu halten. Dabei sei der Betrieb aber „kein Arbeiterparadies“. Der innovativen Arbeitsorganisation, so sagte Meine, stünden harte Drei-Schicht-Arbeit und die regelmäßige Arbeit am Samstag gegenüber. JÜRGEN VOGES