„Das Kap ist wieder orange“

HOLLAND-FANS In Südafrika fühlt sich die niederländische Fangemeinde wie zu Hause: Aus Holland kamen die Buren. Kein Wunder, dass Südafrikas Weiße sie begeistert empfangen

„Ich glaube, hier kennt jeder jemanden, der holländisch ist oder holländische Verwandtschaft hat“

AUS KAPSTADT ELENA BEIS

Es sind wohl noch nie so viele Holländer auf einmal in Südafrika eingefallen seit dem 17. Jahrhundert, als die weiße Besiedlung am Kap der Guten Hoffnung begann. Um die 1.000 Holländer sind mit ihren Wohnwagen den ganzen Weg aus der Heimat bis nach Südafrika gefahren. Am Ziel schlossen sich ihnen weitere Tausende an, die direkt eingeflogen sind.

Um die 10.000 Fans in Orange fahren jetzt immer zusammen von Spielstätte zu Spielstätte. Laut Julius ter Haar, Leiter des niederländischen Reiseveranstalters OAD, ist der holländische WM-Ansturm auf Südafrika so groß, dass man fast keine Flüge mehr nach Südafrika bekommt: „Flugtickets sind ein großes Problem. Wir haben kaum Kapazitäten mehr.“

Als am vergangenen Donnerstag die Niederlande in Kapstadt gegen Kamerun spielten, sah man auf den Straßen fast nur noch eine Farbe: orange. Kamerun? Fehlanzeige. Orangefarben gekleidete Niederlande-Fans füllten zusammen mit konvertierten Südafrikanern die Innenstadt. Viele Südafrikaner tauschten für den Tag ihre gelben Bafana-Bafana-Outfits für etwas Knalloranges ein.

Das hat historische Gründe. Für viele Südafrikaner sind die Niederlande näher als zum Beispiel Kamerun. „Ich glaube, hier in Südafrika kennt jeder jemanden, der holländisch ist oder holländische Verwandtschaft hat“, sagt Fan Justin Wilson. Der junge Südafrikaner Riian van Wyk, ausgestattet mit orange Käppi, orange T-Shirt und orange Sonnenbrille, erklärt: „Ich unterstütze die Holländer während der WM, weil ich denke, dass ich dort ursprünglich herkomme.“ Sein Freund Bradley Voges in knall-orange Adidas-Jacke sagt: „Ich bin halb holländisch, halb südafrikanisch. Ich unterstütze beide Teams. Ich bin Teil der holländischen Unterstützungsarmee.“

Der Anglosüdafrikaner Kerrad Harwood, 31, holt noch weiter aus. „Warum ich Holland unterstütze? Das ist einfach. Erstens: Die Holländer haben uns kolonialisiert. Zweitens: Mein bester südafrikanischer Freund ist holländisch. Drittens: Ich war schon in Holland. Viertens: Sie haben tolle Outfits. Einige der besten Spieler der Welt sind holländisch. Und vor allem: Ich liebe Heringe!“

Die Beziehung zwischen Südafrikanern und Holländern reicht lange zurück. Die ersten Niederländer kamen 1652 ans Kap, bauten hier Siedlungen und beeinflussten maßgeblich den späteren Aufbau des weißen Siedlerstaates, aus dem später „Südafrika“ werden sollte. Diese ersten weißen Siedler des Kaps, eine Mischung aus Holländern, Deutschen, Franzosen und auch Hottentotten, nannten sich Buren (Bauer). Sie bauten Farmen, vertrieben die Schwarzen und nahmen weite Landstriche in Südafrika für sich ein. Später kolonialisierten die Briten Südafrika – gegen großen Widerstand der Buren.

In Südafrika wird immer noch Afrikaans gesprochen, der altertümlich anmutende Sprachmix aus Holländisch, Deutsch, Französisch, Malay und den Nguni-Sprachen, der sich im 17. Jahrhundert als allgemein verständliche Handelssprache am Kap etabliert hatte. Buren, die sich selbst „Afrikaner“ nennen, und Nederländer können sich noch heute problemlos verständigen. Sie sehen sich anlässlich ihrer Geschichte als verwandte Völker an.

Anlässlich dieser besonderen Beziehung und Verwandtschaft war das Kapstädter Stadium während des letzten Holland-Spiels zu 90 Prozent orange. Auf einem Banner im Stadium hieß es: „Die Kaap is weer oranje“ – „Das Kap ist wieder orange“. Passenderweise hingen viele orange Flaggen die kapholländischen Häuserfassaden der Long Street im Stadtzentrum herunter und ein orange Bus mit dem Slogan „100 % Orange“ fuhr vorbei. Auf dem Weg ins Stadium sah man fliegende Holländer, orange Cowboys, einen orange Elvis und eine holländische Fee auf Stelzen.

Das kann man nicht einfach alles als koloniale Nostalgie abtun. „Ich fühle mich diesem Land verbunden“, erklärt die aus den Niederlanden angereiste Unterstützerin Susan Leiden. „Unsere Vorfahren sind in dieses Land gekommen und haben hier so viel Schaden angerichtet. Ich bin hergekommen, weil ich diesem Land etwas zurückgeben will.“ Und der südafrikanische Fotograf Louis Vorster, ein Bure, erklärt die außerordentliche Sympathie des weißen Südafrika für die Holländer so: „Sie strengen sich mehr als jeder andere bei dieser Weltmeisterschaft an, wenn man das pro Kopf sieht. Sie haben die bestaussehenden Fans mit den kürzesten orange Röckchen. Und vor allem sind wir kulturell verbunden. Im Grunde sind wir alle Holländer.“

Pieter Botha, ein farbiger Südafrikaner mit orange Schal, sagt: „Ich bin ein Fan von den Holländern, weil sie uns am nächsten stehen. Wenn ein afrikanisches Team spielt, unterstütze ich allerdings zuerst das afrikanische Team. Ich bin Afrikaner, und ich werde immer die afrikanischen Teams am meisten lieben.“