Droht die taktische Palastrevolution?

ACHTELFINALE Vor dem Spiel gegen Chile grummelt Brasiliens Coach Carlos Dunga wie gewohnt wegen der überzogenen Erwartungen in der ballverliebten Heimat. Die Überraschungsmannschaft aus dem Andenstaat hofft derweil auf ein gar nicht so kleines Wunder

Das Spiel könnte wieder erwarten und trotz der humorlosen Defensivtaktik Dungas ein torreiches werden

Carlos Dunga ist mal wieder genervt. Der Trainer der brasilianischen Nationalmannschaft kann sie nicht mehr hören, die ewige Herumnölerei an der angeblich so unattraktiven Spielweise seiner Seleção. Die will auch vor dem heutigen Achtelfinale gegen Chile (20.30 Uhr, ZDF) nicht verstummen in der brasilianischen Heimat. „Alle, die vom Fußball sprechen, reden vom schönen Spiel“, grummelt Dunga, als Profi beim VfB Stuttgart einstmals ein humorloser Abräumer, „aber das schöne Spiel muss auch kontrolliert werden.“

Trotz der humorlosen Defensivtaktik Dungas aber könnte das Spiel torreich werden. Das verspricht jedenfalls die Historie. Gewaltige 16 Gegentreffer kassierten die Chilenen in den letzten vier Pflichtspielen gegen das übermächtige Brasilien. Die letzte Begegnung der WM-Qualifikation verlor die Mannschaft aus dem Andenstaat mit 2:4. „Es ist wichtig, Tore zu schießen und nach vorne zu marschieren“, erkannte deshalb auch der Brasilianer Julio Baptista. Ob er damit eine kleine taktische Palastrevolution im Hause Dunga auslösen wird, darf allerdings bezweifelt werden.

Allerdings hatte ausgerechnet jener Baptista beim wenig inspirierten 0:0 der Brasilianer gegen Portugal selbst ein eher schwaches Spiel gezeigt und wird deshalb gegen Chile auch folgerichtig wieder durch Mittelfeldregisseur Kaká ersetzt, der seine Gelb-Rot-Sperre aus dem Spiel gegen die Elfenbeinküste abgesessen hat.

So sind die in der Gruppenphase ungeschlagenen Brasilianer auch gegen die offensiv auftretende Überraschungsmannschaft aus Chile klarer Favorit. Zumal der angeschlagene Elano und der zuletzt geschonte Robinho wieder von Anfang an dabei sein können. Fraglich bleibt auf brasilianischer Seite der Einsatz des Mittelfeldspieler Felipe Melo, der sich gegen Portugal am Knöchel verletzt hatte.

Chiles Coach Marcelo Bielsa hofft trotz der schlechten Statistik seiner Mannschaft gegen Brasilien auf ein gar nicht so kleines Fußball-Wunder. „Es wäre toll, wenn wir das Unmögliche schaffen könnten“, sagte der argentinische Trainer, um sofort demütig zu bekennen: „Aber wir wissen, dass es schwierig wird.“ Zumal den Chilenen nach dem ruppigen letzten Spiel gegen Spanien drei wichtige Spieler gelb- und gelb-rot-gesperrt fehlen: Waldo Ponce, Marco Estrada und Gary Medel müssen aussetzen. KES