Großer Harndrang auf Fanmeile

Wenn Deutschland heute gegen Schweden spielt, erwartet die Fanmeile einen Besucherrekord. Mit größeren Problemen zum Fanfest wird nicht gerechnet – wären da nicht die Wildpinkler im Tiergarten

VON SEBASTIAN LEHMANN

Zur Übertragung des ersten WM-Achtelfinal-Spiels Deutschland – Schweden werden heute auf der Fanmeile im Tiergarten so viele Fußball-Fans erwartet wie noch nie zuvor. Eine Prognose, wie viele Fußballfans auf der Straße des 17. Juni das erste K.o.-Runden-Spiel verfolgen werden, wagen nicht einmal die Veranstalter.

Um den Besucherandrang stemmen zu können, wurden in der vergangenen Woche zwei neue, jeweils 24 Quadratmeter große Videoleinwände installiert. Auch für Nachschub an Würsten und Bier ist gesorgt – das Catering wurde nach Angaben der Veranstalter erweitert. Ansonsten werde am Konzept wenig verändert, da man bisher „gut gefahren“ sei, so die Pressesprecherin. Ob Eingänge in das Areal wegen großen Andrangs kurzfristig geschlossen werden müssen, sei noch unklar. Laut Senatssprecher Michael Donnermeyer liegt aber die absolute Obergrenze für die Meile bei 750.000 Besuchern pro Tag.

Am Rande des Fanfestes taucht unterdessen ein aus Zeiten der Love-Parade bekanntes Problem auf: Der Tiergarten wird mit tausenden Litern Urin getränkt. Vor allem männliche Fans verziehen sich nach dem Biergenuss lieber ins Unterholz als auf die „Dixi-Klos“, die am Rande des Festes aufgestellt wurden. Was das bei täglich 400.000 Liter Bierkonsum auf der Fanmeile bedeutet, ist klar.

Viele der Baumpinkler könnte abschrecken, dass fürs Wasserlassen auf einem der 300 Klohäuschen 50 Cent zu berappen sind. Im Gegensatz zu anders lautenden Pressemeldungen handelt es sich dabei nicht um ein freiwilliges Trinkgeld für das Personal, wie der Pressedienst des Fanfests klarstellt, sondern um einen Pflichtbetrag. „Ich darf keinem das Pullern verwehren“, sagt zwar eine Toilettenfrau an der Fanmeile. Bezahlen würden aber eigentlich alle. „Auch viele Männer“, wie die freundliche Frau beobachtet haben will.

Harald Büttner, als Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes von Mitte für den Tiergarten zuständig, sieht jeden Tag die Zerstörungen durch die pullernden Scharen neben der Straße des 17. Juni. Dabei sei gar nicht der Urin selbst das größte Problem, so Büttner, sondern das „Niederlatschen der Vegetation“. Das Unterholz sei nach zwei Wochen WM schon schwer beschädigt. Dazu komme ein beißender Geruch, der besonders bei hohen Temperaturen den fröhlichen Fans in die Nase steigt. Um dem Uringestank und der Beschädigung der Pflanzen entgegenzuwirken, lässt Büttners Amt den Tiergarten jeden Tag mit 6 Millionen Liter Spreewasser sprengen.

Trotz allem „verhalten sich die Leute gut“, so Büttner – ganz anders als etwa bei der Love-Parade, die bekanntlich nur einen Tag dauert. Da sei der ganze Park von Verwüstungen betroffen, während sich beim WM-Fest die Bereiche abseits des Trubels erholen könnten. Die Techno-Kids hätten sich während der Parade über das gesamte Gelände verteilt und seien „eher aggressiv“, so der Amtsleiter. Eine „vierwöchige Love-Parade“ sei die Fanmeile so gesehen eben nicht.

Um die Schäden in Berlins größtem Park in den Griff zu bekommen, hofft Büttner auf die Hilfe des Senats. Nach der WM werde sein Amt praktisch pleite sein. Die zusätzliche Reinigung habe den Bezirk schon 365.000 Euro gekostet. Mit weiteren Kosten in Höhe von 200.000 Euro für Nachpflanzungen und sonstige Schadensbeseitigung rechnet Büttner außerdem. So wie vor den Love-Parades werde der Park ohnehin nie wieder aussehen, die Fanmeile weite nur die Vorschäden durch den Techno-Event aus.

Abgesehen vom Wildpinkeln im Tiergarten werden kaum größere Probleme zum Achtelfinale erwartet. Das Sicherheitskonzept werde nicht verändert, sagte gestern der Sprecher der Polizei, Bernhard Schodrowski. Da bisher alles reibungslos verlaufen sei, sehe man keinen erhöhten Handlungsbedarf.