Aus Schwäche zum Sieg

Die Ukraine steht nach dem 1:0 gegen Tunesien im Achtelfinale. Doch die erbärmliche Vorstellung war selbst den eigenen Fans zuviel, die aus Protest die Laola-Welle boykottierten und lieber pfiffen

AUS BERLIN RONNY BLASCHKE

Schöne Ausreden hat uns diese WM schon beschert. Der Rasen sei zu stumpf, da könne man keinen guten Fußball spielen. Manchmal seien auch die bösen Funktionäre schuld gewesen, die die Gedanken der Spieler überall hin lenken würden, auf das Geld zum Beispiel, aber bloß nicht auf den Platz. Oder aggressive Frösche, die Tag und Nacht quaken und den Spielern keine Minute der Ruhe gönnen sollen.

Mit Spannung wird erwartet, welche Ausreden die Nationalspieler aus der Ukraine und aus Tunesien demnächst unters Volk bringen. Die Ukrainer haben zwar gegen Tunesien 1:0 gewonnen, dabei eine mehr als dürftige Vorstellung geboten und dennoch das Achtelfinale einer Weltmeisterschaft erreicht. In der Heimat wird dieser Erfolg bei der WM-Premiere vermutlich bis Montag gefeiert. „Ich habe mich zurück gehalten mit Prognosen“, sagte der Kapitän der Ukraine, Andrej Schewtschenko: „Aber jetzt bin ich sehr glücklich. In meinem Herzen habe ich immer gehofft, dass wir es schaffen. Wir können wirklich stolz sein.“

Pathetische Worte. Zum Spiel der Ukrainer passten sie nicht. Daheim werden sie nun wieder von der Einigung einer noch jungen und gespaltenen Nation schwärmen. Aber es hätte auch ins Gegenteil umschlagen können, hätten die Ukrainer in der Vorrunde andere Gegner als Saudi-Arabien und Tunesien gehabt.

Gegen Tunesien legten die Ukrainer dagegen ein so hohes Tempo vor, dass ihre zehntausend mitgereisten Fans bockig die Laola-Welle boykottierten und zeitweilig ihre eigene Mannschaft auspfiffen. Maxim Kalinitschenko, Torschütze und Spieler des Tages gegen Saudi-Arabien, und Sergej Rebrow, der ebenfalls getroffen hatte, wurden zur Belohnung für ihre Leistungen früher in die Kabine geschickt. Trainer Blochin konnte ihr Gekicke nicht mehr ertragen.

Das Siegtor schoss der größte Held der Ukrainer, Superstar Andrej Schewtschenko. Er wählte keinen Flugkopfball oder Fallrückzieher, er entschied sich für einen selbst erschwindelten und verwandelten Elfmeter (70.). Dabei spielte die Ukraine eine Halbzeit lang nur gegen zehn Tunesier. Zied Jaziri hatte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte die gelb-rote Karte erhalten. Trotzdem sei Oleg Blochin, Trainer der Ukrainer, „bis zum Abpfiff nervös gewesen. Wir haben die Tunesier am Anfang vielleicht zu leicht genommen“. Dann warf er noch einen Blick in die Zukunft: „Die Welt kann einiges von uns erwarten. Alles ist möglich.“

Ukraine: Schowkowski – Swiderski, Russol, Nesmatschni – Schelajew, Gussew, Timostschuk, Kalinitschenko (75. Gusin) – Rebrow (55. Vorobey) – Schewtschenko (88. Milewski), WoroninTunesien: Boumnijel – Trabelsi, Jaidi, Haggui, Ayari – Namouchi, Mnari, Chedli (80. Santos), Nafti (90. Ghodhbane), Bouazizi (80. Ben Saada) – JaziriSchiedsrichter: Carlos Amarilla (Paraguay)Zuschauer: 72.000Tore: 1:0 Schewtschenko (70.)Gelbe Karten: Swiderski, Schelajew, Timostschuk, Rusol / Jaziri, Bouazizi, JaidiGelb-Rote Karte: Jaziri (45. + 1, wegen Schwalbe und Foulspiel)