EADS erwägt Aufgabe der Doppelspitze

Nach den Problemen bei der Luftfahrttochter Airbus droht dem Ex-Airbus- und jetzigen EADS-Co-Chef Forgeard das Aus

PARIS taz ■ Doppelkopf oder Einfachkopf? Die Frage beschäftigt die französische und die deutsche Regierung sowie die privaten HauptaktionärInnen des europäischen Rüstungs- und Raumfahrtkonzerns EADS. Anlass ist eine Krise an der Spitze des als Vorbild für europäische Industriepolitik gepriesenen Konzerns: Nachdem die Luftfahrttochter Airbus zuletzt erklären musste, dass es bei der Lieferung ihres Prestigeobjekts, des Riesenflugzeugs A 380, weitere Verzögerungen gibt, war der EADS-Aktienkurs binnen Stunden um bis zu 30 Prozent abgestürzt. Nebenbei kam heraus, dass mehrere Spitzenaktionäre kurz vorher ihre Aktien abgestoßen hatten. Wegen deren millionenschweren Spekulationsgewinnen laufen jetzt neben den Krisengesprächen auch mehrere Ermittlungsverfahren wegen „Insiderdelikten“.

Regierungsnahe Kreise in Paris wollen wissen, dass die französische Regierung bereit ist, das Doppelkopfprinzip aufzugeben. Dort waren am Donnerstagnachmittag Finanzminister Thierry Breton und der deutsche Co-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Bischoff zusammengekommen. Nach diesen – offiziell nicht bestätigten – Angaben würde der Deutsche Tom Enders einziger Vorstandschef bei EADS werden. Sein bislang gleichberechtigter französischer Kollege Noël Forgeard müsste gehen. Anderen französischen Quellen zufolge steht der Chef der französischen Eisenbahn SNCF, Louis Gallois, in den Startlöchern, um neuer französischer Co-Chef von Enders zu werden.

Forgeard war in die Kritik geraten, weil ihm als ehemaligem Chef von Airbus eine Mitverantwortung bei der Lieferverzögerung und bei anderen Problemen des Airbus-Konzerns vorgeworfen wird. Klar scheint: Wenn Forgeard gehen muss, wird auch der jetzige Airbus-Chef, Forgeards Nachfolger Gustav Humbert, vor die Tür gesetzt. Humbert ist der erste Deutsche an der Spitze des europäischen Flugzeugbauers.

Parallel zu dem französischen Finanzminister versucht auch sein deutscher Kollege Michael Glos (CSU), den Streit an der Spitze des Konzerns zu schlichten. In der nächsten Woche sind erneut mehrere Sitzungen in Paris und München vorgesehen.

Airbus ist die Hauptkonkurrenz für den US-amerikanischen Boeing-Konzern. Das Unternehmen produziert in den vier europäischen Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien, beschäftigt weltweit 55.000 Personen und hat im vergangenen Jahr 22,3 Milliarden Euro Umsatz und 1,68 Milliarden Euro Profit gemacht.

Seit den Turbulenzen haben einige Großaktionäre an der Börse Millionengewinne mit EADS-Aktien gemacht. Denen stehen allerdings auch entsprechende Verluste gegenüber. Zu den Angeschmierten gehören KleinaktionärInnen, die bereits Klage wegen „illegaler Insidergeschäfte“ eingereicht haben – und der französische Staat. Er hatte erst im April über die Caisse des Dépots 2,5 Prozent des EADS Kapitals aufgekauft und nun in wenigen Wochen mehr als 240 Millionen Euro verloren. In Frankreich ermittelt jetzt sowohl die Börsenaufsicht als auch die Justiz.

DOROTHEA HAHN