Kein Amadeus fürs Volk

Er unterrichtete Ludwig van Beethoven und Franz Schubert. Antonio Salieri: Zeitgenosse von Mozart und Held einer Verschwörungstheorie, wäre über seine Oper „La Cifra“ in Köln nicht erfreut gewesen

VON REGINE MÜLLER

Dass die Kölner Oper im Mozart-Jahr das Geburtstagskind nicht auch noch feiert, sondern ein Werk seines Zeitgenossen und Konkurrenten Salieri auf den Spielplan setzt, klingt gewitzt. Doch einmal mehr fehlt dem müden Haus der nötige Biss für die Pointe. Dem Hofcompositeur Antonio Salieri, der bis heute als angeblicher Mozart-Vergifter mit schlechter Presse zu kämpfen hat, samt seinem Werk „La Cifra“ tut man keinen Gefallen mit der als ambitioniert verkauften Ausgrabung. Schon die vollmundige Ankündigung „Das ist Mozart fürs Volk!“ in der lokalen Presse verhieß nichts Gutes.

Doch es sollte noch ärger werden. Nicht allein, dass Martin Haselböck im Graben Salieris Musik strohig und in Virilität vortäuschender Dauerhatz durchrattern lässt und all die Delikatesse und Empfindsamkeit, die jüngst Christoph Spering in der Philharmonie in Salieris „La Passione“ so überzeugend aufspürte, nicht einmal zu bemerken scheint. Mit Regisseur Christian Stückl, der in Köln bereits mit „Fidelio“ nichts anfangen konnte, hat man zudem einen Mann fürs Grobe verpflichtet, der den Abend zur dürftigen Klamotte verkommen lässt. Womöglich war Stückl mit der Regie zur Eröffnungsfeier der FIFA-WM so beschäftigt, dass er den Salieri mit links erledigte. Wie in der Münchener Allianz-Arena setzt Stückl wieder aufs Bayerische.

Als wolle man den ohnehin Mozart unterlegenen Salieri post mortem nochmals demontieren, macht das Team Stückl/Haselböck aus der harmlos banalen Story ein albernes Kasperltheater, bei dem die Darsteller das Niveau einer Daily-soap noch unterbieten müssen. Stückl reicht es, dass er mit dem hohl tönenden Buffo-Bass Andreas Hörl als Rusticone (sic!) einen Münchener Muttersprachler zur Verfügung hat, um sich zurückzulehnen und mit dessen dünnen Witzchen das mangelnde Konzept zu ersetzen. Auch ansonsten scheut man keine Mühen, sich dem Quotenfernsehen anzudienen. Die Rezitative werden durch deutsche Dialoge ersetzt, die aktuell sein wollen. „Du geile Schnitte!“ seufzt etwa das dumpfe Dickerchen Sandrino.

Der simple Stoff – eine Variante der Aschenputtel-Geschichte - wäre mit Ironie und Eleganz sicher zu retten gewesen, oder durch ein konsequentes Aufbrechen der erstaunlich rückständigen Adels-Ideologie, doch dergleichen versucht die Regie erst gar nicht. Im Gegenteil, man wird den ganzen Abend einen bösen Verdacht nicht los: dass die Regie das Werk und damit seinen Schöpfer ganz bewusst hinrichtet. Vielleicht ist man auch deshalb so genervt, weil das Gefühl frecher Lieblosigkeit sich in dieser Kölner Spielzeit der Peinlichkeiten nicht zum ersten Mal einstellt.

Die soliden, doch glanzlosen Sänger mühen sich also ganz vergebens durch ihre stimmlich anspruchsvollen Partien, der Abend ist trotz fieberhaft gereihter Kalauer, trotz Gewitterzaubers, Entenjagd im Whirlpool und Wildschweinhatz nicht zu retten. Wenigstens hätte sich doch musikalische Sorgfalt im Dienste von Salieris Ehrenrettung gehört. Salieris Buffo-Oper klingt in Haselböcks hektischer Version wie eine große, hysterisch durchdrehende Spieluhr.