Der Unsentimentale

Mit einem Sprung der Fiat-Aktie um 14 Prozent reagierte die Mailänder Börse auf den jüngsten Streich des Fiat-Chefs Sergio Marchionne (Foto): auf die Übernahme von Chrysler. Wieder einmal hatte der 61-jährige Italokanadier höchstes Geschick in seiner Lieblingsdisziplin bewiesen – in der Abwicklung großer Geschäfte unter Einsatz ziemlich kleiner Summen.

2009 hatte er den Einstieg bei Chrysler vollzogen, gerufen von Obama und der US-Automobilgewerkschaft UAW. 20 Prozent der Anteile bekam Fiat damals, ohne einen Cent dafür lockerzumachen. Als Gegenleistung sollten die Turiner lediglich ihr Know-how in die am Abgrund stehende Detroiter Firma einbringen.

Seitdem stockte Fiat seine Anteile auf knapp 60 Prozent auf. Ziel war die Komplettübernahme Chryslers. Marchionne nämlich ist nicht bloß davon überzeugt, dass Fiat-Chrysler nur als Weltkonzern überleben kann. Ihm ist zugleich bewusst, dass Fiat mittlerweile selbst zum Notfall geworden ist – im letzten Jahr standen mehr als eine Milliarde Euro Miese in den Büchern. Chrysler dagegen? Erwirtschaftete einen Gewinn von 1,2 Milliarden.

Und so saniert Fiat mit der Übernahme der restlichen Chrysler-Aktien vor allem sich selbst, auch weil das Geschäft ein wahres Schnäppchen ist: Nur 3,65 Milliarden Dollar muss Fiat an den UAW-Gesundheitsfonds für Rentner zahlen.

Allerdings: Die Fiat-Werke schieben überwiegend Kurzarbeit, produziert wird vor allem im Ausland. Und Marchionne sind Sentimentalitäten fremd: Unter ihm scheint sogar eine Verlagerung des Firmensitzes weg aus Turin nicht ausgeschlossen. Er selbst jedoch kann sich als Gewinner sehen. Denn, so sagt er, die Chrysler-Übernahme werde „in die Geschichtsbücher eingehen“. MICHAEL BRAUN