Warum nicht?

NRW-Forschungsminister Andreas Pinkwart (FDP) wünscht sich ein neues Atomkraftwerk in Jülich – bekommt dann aber Angst vor der eigenen Courage. Die Opposition ist trotzdem aufgebracht

VON KLAUS JANSEN

Andreas Pinkwart hat mit zwei kleinen Wörtern eine große Debatte ausgelöst: „Warum nicht?“, entgegnete der nordrhein-westfälische Forschungsminister in einem Interview mit der Westfälischen Rundschau auf die Frage, ob er sich die 34.000-Einwohner-Stadt Jülich als „Keimzelle“ für einen neuen Atomreaktor vorstellen könnte. Schließlich, so führte Pinkwart schon vorher aus, stehe im ehemaligen Kernforschungszentrum Jülich „eine Menge Sachverstand zur Verfügung“. Es wäre „dumm“, diesen nicht zu nutzen, erklärte der Minister.

Pinkwarts Vorstoß hielt genau bis gestern um 11.17 Uhr. Nur wenige Stunden nach Abdruck des autorisierten Interviews sah sich der Minister genötigt, eine Presseerklärung herauszugeben. Der Titel: „Kein Neubau eines Forschungsreaktors in NRW geplant“. Er habe lediglich die „vorhandene Kompetenz in der Kerntechnologie“ herausstellen wollen, erklärte Pinkwart. Es habe „aufgrund der Anzahl der Nachfragen“ einiges „zu konkretisieren gegeben“, räumte sein Sprecher Ralf-Michael Weimar ein.

Den Ärger mit der Opposition konnte Pinkwart mit seinem Dementi jedoch nicht mehr abwenden. „Schlicht absurd“ sei die Idee eines Atomkraftwerks in NRW, empörte sich die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. „Pinkwart total verstrahlt“, dichteten die Jusos. NRW-SPD-Chef Jochen Dieckmann forderte gar den Ministerpräsidenten persönlich auf, seinen Stellvertreter zu stoppen. Jürgen Rüttgers sei gefordert, „dem mutwilligen Treiben einiger Regierungsmitglieder ein Ende zu bereiten“, sagte Dieckmann. Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, dass sich „die Energiekrise der Zukunft nicht mit Milliardeninvestitionen in völlig überholte Ideen in den Griff bekommen“ lasse.

Dass Pinkwart ein Freund der Atomenergie ist, ist kein Geheimnis. Vor allem die so genannte Thorium-Hochtemperaturtechnologie hat es dem Minister angetan, mit deren Hilfe ohne Kernschmelze Wasserstoff erzeugt werden kann. Pinkwart lobt die Technik als „zukunftsweisend“ – obwohl der einzige Praxistest in Hamm-Uentrop nach einer Pannenserie im Jahr 1989 mit der Schließung des Reaktors endete.

So lange die große Koalition in Berlin das Atomausstiegsgesetz nicht kippt, brauchen die Bewohner von Jülich und Umgebung kein neues Kraftwerk in ihrer Nachbarschaft zu fürchten. Vor allem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sperrt sich gegen eine Renaissance der Atomkraft. Besonders begeistert von den Anregungen aus Nordrhein-Westfalen scheint man in seiner Behörde deshalb nicht zu sein: „Herr Pinkwart müsste eigentlich wissen, dass der Bau eines Atomkraftwerks in Deutschland gegen geltendes Recht verstößt“, sagte Gabriels Sprecher Jürgen Maaß der taz.