deutsch-argentinische freundschaft (I)
: Wenn Deutschland gewinnt, werde ich dich hassen

Ich bin Deutscher. Meine Freundin ist Argentinierin. Verdammt, verdammt. Was mach ich jetzt nur?

„Das muss ja jetzt schwierig sein für euch!“, sagt meine Mutter am Telefon. „Esto debe ser difícil para ustedes!“, sagt ihre Mutter am Telefon. Ich bin Deutscher. Sie ist Argentinierin. Wir leben zusammen.

Und es ist überhaupt nicht schwierig. Jedenfalls war es das nicht. Bisher. Wenn Deutschland gespielt hat, waren wir für Deutschland. Wenn Argentinien gespielt hat, waren wir für Argentinien. Gegen die Elfenbeinküste. Gegen Serbien-Montenegro. Gegen die Niederlande. Gegen Mexiko. Immer habe ich mit gejubelt, könnte sogar mitsingen: „Vamos, vamos, Argentina, vamos, vamos a ganar!“ Wir haben sogar eine argentinische Flagge am Balkon hängen. Und jetzt? Soll ich die abnehmen? Soll ich eine deutsche daneben hängen?

„Hey, macht ihr eine Party am Freitag?“, fragt mein Freund Timo. Eine Party? Vielleicht eine gute Idee. Sie lädt zehn Argentinier ein. Ich zehn Deutsche. Freitag, 17 Uhr. Dicht gedrängt sitzen wir vor unserem kleinen Fernsehgerät im Wohnzimmer.

Zunächst ist die Stimmung gut. Dann das erste Foul. Gereizte Atmosphäre im Kessel von Berlin. Das erste Tor fällt für Argentinien. Meine deutschen Freunde, schon angetrunken, werden laut. Die Argentinier fangen an zu tanzen. Handgemenge. Gläser zerbrechen. Freundschaften auch. Vielleicht doch keine so gute Idee.

Eigentlich interessieren wir uns nicht für Fußball. Dachten wir. So etwas bringt uns nicht in Wallung und schon gar nicht auseinander. Aber dann saßen wir gemeinsam auf dem Sofa, nach dem Schwedenspiel, es war ein plötzlicher Moment der Stille, kein Hupen durchs Fenster, keine Böllerexplosionen, nur ihre Stimme. Sie klang etwas vorwurfsvoll. „Jetzt fällt mir auf: Du hast dich nicht richtig gefreut beim zweiten Tor der Argentinier gegen die Elfenbeinküste.“ – „Habe ich doch.“ – „Nein, nicht so richtig.“ – „Naja, die Afrikaner haben gut gespielt und ich habe ihnen gewünscht …“ – „Also doch. Da wusste ich, du gehörst nicht dazu.“ – „Zu wem?“ – „Zu wem? Zu uns! Zu Argentinien!“ – „Naja, am Freitag jedenfalls …“ – „Wenn Deutschland gewinnt, werde ich dich hassen.“ Schluck. Pause. Dann haben wir gelacht. Es war allerdings ein etwas seltsames Lachen.

Was machen wir also am Freitag? Der Plan jetzt: Wir fahren raus an einen See, leihen uns ein Auto und fahren an einen der schönen Plätze, die ständig überlaufen sind bei schönem Wetter, aber nicht am Freitag, weil alle, alle, alle sich das Spiel ansehen werden. Aber wir nicht. Kein Spiel, kein Streit, dafür Baden und Sonnen und Grillen und das Ergebnis hören wir dann auf der Rückfahrt im Radio. Oder, noch besser: Wir lesen das Ergebnis am allgemeinen Flaggenaufkommen ab. Das wäre doch eine schöne Sache.

Andererseits: das Spiel nicht sehen? Das spannendste Spiel der WM verpassen? Zwanzig Spiele gesehen, aber ausgerechnet dieses nicht? Was tun? Es ist ganz schön schwierig. STEFAN KUZMANY