„Wie auf einem Ausguck“

ERÖFFNUNG Die Kinderbibliothek erhält auf Wunsch von Grundschülern einen „Raum der Stille“

■ 57, ist Slawistin und Historikerin und seit 21 Jahren Direktorin der Stadtbibliothek Bremen.

taz: Frau Lison, was unterscheidet einen „Raum der Stille“ von den sonstigen Bibliotheksräumen – dort sollte es doch eigentlich überall recht still sein, oder?

Barbara Lison: Wir arbeiten nicht mit dem Finger am Mund, sondern mit viel Kommunikation. Aber es stimmt: Natürlich gibt es Rückzugsorte zur Kontemplation.

Und trotzdem wird heute dieser neue Raum eingeweiht...

Ja, das war der Wunsch der Klasse 3a der Grundschule Kantstraße. Zu unserem 111. Geburtstag im Mai haben wir gemeinsam mit der Sparkasse die Aktion „Wünsch Dir was“ für Grundschulen ins Leben gerufen – und diese Klasse hat sich für „ihre“ Bibliothek einen Raum der Stille gewünscht.

Ist es nicht einigermaßen kurios, dass sich ausgerechnet Kinder kein Spiel- und Tobezimmer, sondern dessen Gegenteil wünschen?

Ja, wir waren auch erst überrascht. Eine andere Grundschule in Gröpelingen hat sich ein Puppentheater gewünscht, das hat ja schon eher etwas mit Spaß und Spielen zu tun. Aber eine dritte Klasse wollte einen Hängesessel – also auch wieder etwas zum Entspannen.

Wie erklären Sie sich das?

Ich glaube, dass Kinder vielleicht noch viel mehr als Erwachsene immer mehr vollgestopft werden mit akustischen Signalen. Gerade in der Stadt ist man ja ständig umgeben von akustischen Störungen – abgesehen vom Lärm in der Schule und vielleicht auch zu Hause. Dass die Kinder das offenbar erkennen, hat uns beeindruckt.

Hatten die Kinder denn auch eine genaue Vorstellung von ihrem Wunsch-Raum?

Ja, die haben gemeinsam mit einer professionellen Bühnenbauerin einen Schuhkarton als Modell entworfen. Sie wollten nicht nur auf dem Boden Teppich, sondern sogar an den Wänden. Und besonderes, gemütliches Licht haben sie sich gewünscht. Die Kinderbibliothek ist ja in der oberen Etage und hat bodentiefe Fenster. In der Ecke, die jetzt entstanden ist, sitzen die Kinder wie auf einem Ausguck.Interview: SCHN

Kinderbibliothek in der Zentralbibliothek am Wall