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DIE ELEKTROSZENEAusweiskontrolle

Ich bin dem Türsteher vor Entzücken fast um den Hals gefallen

Ich war im Watergate. Wir sollen ja keine Texte mit „Ich“ beginnen, sagen die Redakteure. Aber in dem Fall muss eine Ausnahme gemacht werden. Denn: Ich! War! Im! Watergate! Dabei weiß jeder, dass ich mit Elektro nicht klarkomme. Eigentlich hatte ich ja bloß Hummeln im Hintern und wollte noch mal vor die Tür. Ich musste einen Text fertig machen, und schlecht gelaunt kann ich nichts Lustiges schreiben. „Henne! Bier?“, hatte ich gesimst und Henne lotste mich nach Friedrichshain. Es war ganz entzückend. Ich hab mich gefühlt wie 20, so lange kenne ich die Menschen schon, mit denen wir uns trafen. Familie quasi.

Und dann war es plötzlich halb eins. „Kann es sein, dass es halb eins ist?“, hab ich meine Freunde gefragt und die Freunde haben genickt. „Und wieso stehe ich in der Schlange vor nem Technoclub, wenn ich eigentlich arbeiten müsste?“ – „Ach Lea!“, sagten meine Freunde, „Du fragst zu viel!“ Die Schlange schrumpft. „Guck mal, da vorne werden Ausweise kontrolliert!“, sagt Nelli. Ich muss lachen. Es ist jetzt ungefähr acht Jahre her, dass ich das letzte Mal vor der Disko nach meinem Ausweis gefragt wurde, da war ich 26. Ich bin dem Türsteher schon damals vor Entzücken fast um den Hals gefallen. „Sag’s noch mal!“, hab ich gerufen, „Sag’s ganz laut, damit es alle hören können!“

Wir sind dran. „Habta Ausweise bei?“, fragt ein etwas bulliger Mann mit freundlichem Gesicht. „Jetzt wirklich!?“, sagen wir. „Na, nich wegen Alter“, sagt der Mann. „Och“, sage ich, „hättste jetz nich so betonen müssen.“ – „Nich nur wegen dem Alter“, korrigiert er sich. An der Kasse steht ein Schild. „20 €“, steht da drauf. „Is das für ’ne Gruppenkarte?“, frage ich. „Nee, jeder.“ Ich muss kurz husten. „Komm Lea“, sagt Nelli, „is Recherche. Schreibste doch eh ’n Text drüber.“ Freunde kennen sich eben. Ich hatte großen Spaß. Aber bei den Preisen muss ich wohl in Zukunft öfter Elektroszenen schreiben. LEA STREISAND

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