Polizeibeamte im Shitstorm

NETZWELT Dank für gebrochene Nasen, verhinderte Demonstrationen, stundenlange Verhöre, grundlose Kontrollen oder Häuserräumungen: Unter dem Hashtag #dankepolizei lassen Twitternutzer Dampf ab

„Danke, dieses Pfefferspray wäre doch nicht nötig gewesen!“

DER ERSTE TWEET UNTER #DANKEPOLIZEI

BERLIN taz | Die Polizei könnte ein bisschen Imagewerbung in eigener Sache gut gebrauchen, ein massenhaftes Dankeschön für ihren stets unermüdlichen Einsatz für Recht und Gerechtigkeit. Geschichten, die das Bild der bürgerfreundlichen Polizei stärken, könnten aus diesem Anlass erzählt werden: von Beamten, die alten Menschen über die Straße helfen, oder solchen, die jugendlichen Draufgängern einen elterlichen Hinweis mit auf den Weg geben oder Fußballfans und Demonstranten wie Gäste empfangen.

Mit dem Twitter-Hashtag #dankepolizei böte sich das geeignete Forum für öffentliche Danksagungen. Doch für die Ordnungshüter läuft es miserabel. Schon der erste Eintrag zu diesem Schlagwort, verfasst am 1. Januar von User „Schubladenöffner“, ließ erahnen, dass die Erfahrungen vieler Bürger andere sind: „Lob an die Polizei? Danke, dieses Pfefferspray wäre doch nicht nötig gewesen! #dankepolizei“, hieß es dort. Schon kurz darauf war der nächste Nutzer mit seinem Lob zur Stelle. „Das Rumsitzen wär mir fast langweilig geworden. Danke dass sie mit Ihrem Schlagstock in meinem Rücken für Abwechslung sorgen!“

Inzwischen erfreut sich der höhnische Dank größter Beliebtheit, neue Tweets werden im Minutentakt verschickt. Die meisten Nachrichten berichten von Erfahrungen mit Polizeigewalt. Diese sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für öffentliche Aufschreie: Der rabiate Polizeieinsatz am schwarzen Donnerstag gegen Stuttgart-21-Gegner, der Fall der in einer Münchner Polizeizelle misshandelten Teresa Z. oder der weiterhin ungeklärte Feuertod von Oury Jalloh in einer Zelle gehören zu den bekanntesten Beispielen.

Die Twitter-Nutzer erinnern sich an diese und andere Gewaltausbrüche. Sie widersprechen in ihrer Gesamtheit dem Einwand, es handele sich um Einzelfälle. Auch Amnesty International hat vor drei Jahren mit der Kampagne „Täter unbekannt“ auf die Missstände hingewiesen und beklagt, dass Prügelpolizisten so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen würden. Jährlich werden in Deutschland laut Schätzungen rund 2.000 Anzeigen wegen Polizeiübergriffen erstattet.

Auch eine Ausstellung unter dem Titel „Vermummt und gewaltbereit. Polizeigewalt in Deutschland“, die durch verschiedene Städte tourt, thematisiert die Vergehen. Sie fordert, ebenso wie viele Twitter-Nutzer, eine umfassende Kennzeichnungspflicht für Polizisten und die Schaffung unabhängiger Kontrollgremien, um Fälle von Polizeigewalt aufzuklären. Bis es jedoch so weit ist, bleibt den Betroffenen kaum mehr als ihr Spott: Danke für eine „angebrochene Nase“ oder „für die Gehirnerschütterung am Rande einer Demo gegen Rassismus“.

Andreas Potzlow bedankt sich derweil für die Räumung seines Hauses mit 4.000 Beamten (#liebig14), die Thüringer Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, Katharina König, dafür, „dass ihr mich auf einer Gefährderliste geführt habt, weil ich eine angemeldete Demonstration gegen den Papstbesuch verlinkte“, und @CordHose dafür, „dass unser Schulschläger bei euch noch Karriere machen kann“.

Unter dem Hashtag #dankepolizei entsteht mittlerweile ein regelrechtes Archiv von Artikeln, Videos und Bildern, die polizeiliches Fehlverhalten thematisieren. Doch die User lassen nicht nur ihrem Frust, beispielsweise über die verhinderten Blockupy- und Rote-Flora-Demonstrationen freien Lauf, sondern nutzen das Schlagwort inzwischen auch für konkrete Hilfestellung: „Brühl: Die #dankepolizei blitzt auf der Kaiserstr. vor dem Norma (hinter den Bäumen). 30er Zone! 37 km/h kosten 15 €. Obacht!“, warnt „Der 4. Offizielle“.

Das neue Profil „Danke Polizei“ fasst die Twitterwelle kurz und knackig einfach so zusammen: „#dankepolizei für nichts!“

ERIK PETER